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Noch-Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mit symbolischer Werbung für das SPD-Musterprojekt

© Wolfgang Kumm/dpa

Beispiel Mietbreisbremse: Wenn Richter meinen, sie müssten Wahlkampf machen

Ein unwichtiger Beschluss behauptet eine Bedeutung, die er nicht hat - warum sich das Gericht besser zurückgehalten hätte. Ein Kommentar.

Wenn sich Wolfgang Schäuble darüber beschwert, dass sich Richter zu sehr in politische Fragen einmischen, was er gerne und häufiger tut, dann meint er die Richter am Karlsruher Bundesverfassungsgericht. Allerdings unterschlägt er meist, dass es sich hier um professionelle Berufsausübung handelt. Das Grundgesetz bildet den Rahmen der Politik. Die Richter können ihn enger oder weiter ziehen. Ziehen müssen sie ihn. Die starke Verfassungsgerichtsbarkeit hat sich für die Bundesrepublik als Segen erwiesen.

Einer, der sich beschweren könnte: Martin Schulz

Einer, der sich mit besseren Gründen beschweren könnte, wäre Martin Schulz. Im Wahl-Endspurt durfte der SPD-Spitzenkandidat die Mietpreisbremse vor dem Berliner Landgericht in Schutz nehmen, das sie für verfassungswidrig hält. Große Debatte, einige Verwirrung. Die Medien berichten, die Union freut sich. Das sozialdemokratische Vorzeigeprojekt, zermahlen im Räderwerk des Rechts.

Dabei ist nichts passiert. Nichts. Die Richter wollten dem Bundesverfassungsgericht einen Rechtsstreit vorlegen, haben einen schönen Beschluss dazu verfasst, konnten es aber nicht. Weil sich herausstellte, dass es auf die angebliche Verfassungswidrigkeit der Mietpreisbremse gar nicht mehr ankam. Was tun? Das Werk in den Akten verstauben lassen? Nein, lieber der Pressestelle geben.

Die Meinung der Richter ist prinzipiell unerheblich

Ob ein Gesetz verfassungswidrig ist oder nicht, entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht. Wenn andere Richterinnen oder Richter meinen, ein für ihren Prozess relevantes Gesetz sei verfassungswidrig, können sie es dort prüfen lassen. Verzichten sie darauf, ist ihre Meinung prinzipiell unerheblich, weil folgenlos.

Nun ist Kommunikation im Recht eine andere Kommunikation als die über Sport, Kultur oder Gesellschaft. Wer als Richter seine Meinung in die Welt setzt, arbeitet unter Berufung auf eine höhere Autorität. „Verfassungswidrig“ ist ohnehin das Buzzword einer legalistisch geprägten Debattenkultur. Kein Wunder, dass die Ansichten des Landgerichts, Zivilkammer 67, eine erstaunliche Karriere in Politik und Medien machen konnten.

Einfache Rechnungen

So drängt sich der Eindruck auf, dass ein Gericht hier einmal in einem Bereich mitmischen wollte, in dem es nichts verloren hat. Besieht man sich den Beschluss näher, ist es auch nicht so, dass die Richter das von ihnen identifizierte Problem mit gewaltigem Begründungsaufwand entfaltet hätten. Es sind eher einfache Rechnungen, die da aufgemacht werden.

Wenn Richter entscheiden, machen sie manchmal damit zwangsläufig Politik. Aber es ist nicht ihre Aufgabe, Politik zu machen, ohne zu entscheiden. Ein solcher Fall liegt hier nahe. Möglich also, dass es vom Berliner Landgericht klüger und fairer gewesen wäre, sich in dieser politisch erhitzten Phase die Pressearbeit zu verkneifen. Recht gewinnt, wenn es sich beschränkt. Ein Gericht auch.

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