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Uli Hoeneß hat vor Gericht ein unerwartetes Geständnis abgelegt.

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Update

Prozess gegen Uli Hoeneß: Bayern-Präsident hinterzog mindestens 18,5 Millionen Euro

Der Prozess gegen Uli Hoeneß beginnt mit einer handfesten Überraschung: Der Bayern-Manager hat nach eigenen Angaben nicht nur 3,5 Millionen, sondern mindestens 18,5 Millionen Euro an Steuern hinterzogen.

Auf vier Verhandlungstage ist der Prozess (Az: W5 KLs 68 Js 3284/13) gegen Uli Hoeneß vor dem Landgericht München angesetzt: Verhandelt werden soll von Montag bis Donnerstag, am Donnerstag könnte also schon ein Urteil fallen. Am Ende des Prozesses könnte dem Bayern-Manager durchaus eine Gefängnisstrafe drohen.

Hoeneß legte am Montagvormittag nach eigenen Angaben ein umfassendes Geständnis ab. Demnach hat der Präsident des FC Bayern nicht - wie zuvor immer wieder berichtet - rund 3,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen. Vielmehr handelt es sich nach Hoeneß' eigenen Angaben um mindestens 18,5 Millionen Euro. Diese Summe ergibt sich aus Unterlagen, die Hoeneß erst wenige Tage vor dem am Montag beim Landgericht München II begonnenen Steuerhinterziehungs-Prozess einreichte. Hoeneß sagte, er wolle nun „ohne Wenn und Aber“ reinen Tisch machen. Die Staatsanwaltschaft hatte Hoeneß nur wegen Hinterziehung von 3,55 Millionen Euro angeklagt. Hoeneß hatte sämtliche Gewinne aus sieben Jahren exzessiver Zockerei an den Börsen auf seinem Konto bei der Züricher Bank Vontobel gehortet und nichts davon dem Fiskus gemeldet. Von 2001 bis 2009 hatte er in einem Ausmaß mit schwindelerregend hohen Geldmengen jongliert, dass ihm sein Sohn Florian indirekt attestiert, spielsüchtig gewesen zu sein.

Bei der Verlesung der Anklageschrift am Vormittag vor dem Landgericht München II hieß es dann zuvor, Hoeneß solle außerdem zu Unrecht 5,5 Millionen Euro an Verlustvorträgen aus seinen privaten Veräußerungsgeschäften gemacht und so seine Steuerschuld nach unten gedrückt haben.

Das Verfahren findet im Münchner Justizpalast in der Nähe des Stachus statt. Es gibt ein sehr großes Medieninteresse: Für die 49 Presseplätze gab es 454 Akkreditierungsgesuche. Die Plätze wurden nach dem Eingang per E-Mail zu einem vorher festgesetzten Zeitpunkt verteilt. Nach nur 27 Sekunden waren die 49 Sitze weg. Weiter haben 51 normale Zuschauer im Verhandlungssaal 134 einen Platz. Bis zu 150 Polizisten sind im Umfeld des Prozesses im Einsatz, denn es wird mit vielen Schaulustigen gerechnet.

Für den Prozess sind lediglich vier Zeugen vorgesehen: Der befreundete pensionierte Finanzbeamte, der die Aussage verweigern dürfte, weil auch ihm ein Verfahren droht, sowie drei Steuerfahnder. Der Vorsitzende Richter Rupert Heindl hat im Vorfeld eine Prozessabsprache, einen sogenannten Deal, abgelehnt. Es war angestrebt worden, dass Hoeneß mit einer Bewährungs- und Geldstrafe davonkommt. Heindl gilt als gründlicher und zugleich harter Richter. Dem Vorwurf, die Justiz schone einen Prominenten, will er sich nicht aussetzen. Das Hoeneß-Verteidigerteam um den bekannten Frankfurter Anwalt Hanns W. Feigen, ein Experte für Wirtschaftsstrafrecht, setzt darauf, dass die Selbstanzeige wenigstens in Teilen vom Gericht anerkannt wird. Oder dass zumindest der Wille gewürdigt wird, den Steuerbetrug zu offenbaren und reinen Tisch zu machen.

Noch ist schwer zu entwirren, was um den 16. Januar 2013 herum wirklich geschehen ist, als Hoeneß in höchster Eile und offenbar in heller Panik vier Berater zu sich in sein Haus am Tegernsee einbestellt hatte. Bis in die Nacht hinein bastelten sie – unter anderem sein Steuerberater und ein befreundeter Finanzbeamter, der sich zu diesem Zeitpunkt in Altersteilzeit befand – an der Selbstanzeige, die Hoeneß vor Strafverfolgung bewahren und seine Anonymität schützen sollte. Am nächsten Morgen gab Hoeneß’ Sohn Florian das Schriftstück bei den Behörden ab.

Vor dem Treffen war Hoeneß von der Bank Vontobel informiert worden, dass ein „Stern“-Reporter nach einer bedeutenden Größe des deutschen Sports gefragt habe, der hunderte Millionen Euro bei dem Geldhaus gelagert und nicht versteuert haben soll. War damit Hoeneß gemeint? Gab es diese Person überhaupt? Hoeneß wähnte sich mit der Selbstanzeige auf der sicheren Seite. In einem Interview mit der „Zeit“ sagte er: „Ich war fest davon überzeugt, dass ich durch die Abgabe meiner Selbstanzeige und die Bezahlung der Steuerschuld keine Strafverfolgung befürchten muss.“

Doch es kam anders: Die Anzeige wurde als fehlerhaft und nicht ausreichend angesehen, am 20. März rückten Staatsanwaltschaft und Steuerfahnder bei Hoeneß an, filzten sein Haus, nahmen ihn fest und brachten ihn nach München. Nur gegen eine Kaution von fünf Millionen Euro ist er seitdem weiterhin auf freiem Fuß – vorläufig. Weil die Selbstanzeige – anders etwa als bei Alice Schwarzer – nicht anerkannt wurde, kam es zu Ermittlungen und zur Anklageerhebung.

Was Hoeneß nun wirklich an Strafe droht, ist ungewiss. Bei bis zu zwei Jahren Gefängnis wird die Strafe zur Bewährung ausgesetzt, Hoeneß bliebe auf freiem Fuß. Bei über zwei Jahren muss er tatsächlich ins Gefängnis. Der frühere „Zeit“-Herausgeber Theo Sommer bekam für 650 000 Euro hinterzogener Steuern ein Jahr und sieben Monate auf Bewährung. Eine grobe Richtschnur vom Bundesgerichtshof lautet, dass bei mehr als einer Million hinterzogener Steuern eine tatsächliche Gefängnisstrafe ausgesprochen wird. Davon kann aber je nach Fall aus vielen Gründen abgewichen werden: etwa wenn der Verurteilte geständig ist, Reue zeigt, das Geld zurückzahlt, Ersttäter ist oder sich für das Allgemeinwohl einsetzt. All das träfe auf Hoeneß zu.

Trotzdem wird es nun wohl eng für eine Bewährungsstrafe. Der Bundesgerichtshof hatte seine Linie verschärft, weil ihm die Untergerichte im Umgang mit Steuerstraftätern zu nachsichtig erschienen. Es bleibt aber dabei, dass Strafzumessung eine individuelle Angelegenheit ist. Grundsätzlich sind auch bei hinterzogenen Beträgen von mehr als einer Million Ausnahmen von der Knast-Regel möglich. Dann aber müssen die Milderungsgründe schon besonders gewichtig sein. Die bloße Nachzahlung ist damit nicht gemeint. Damit leistet ein Täter nur, was er ohnehin zu leisten hätte. Hoffen durfte Hoeneß bisher darauf, dass die Richter seinen Spendenfreude zu seinen Gunsten auslegen. Der Angeklagte berief sich stets darauf, er habe weit mehr zu gemeinnützigen Zwecken gegeben, als er an Steuern hinterzogen habe. Allerdings scheint auch dieses Gefälle nach dem neuerlichen Geständnis nicht mehr so auffällig stark zu sein.

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