zum Hauptinhalt

Klimaschutz in der EU: Barroso: "Mitgliedstaaten müssen mitziehen"

Im Streit um verbindliche Klimaschutzziele hat EU-Kommissionspräsident Barroso der Ratsvorsitzenden Merkel den Rücken gestärkt. Zugleich forderte er die Trennung von Stromerzeugung und Netzbetrieb in der Energiewirtschaft.

Brüssel - "Diese Ziele sollten zwingend sein, nur so sind wir glaubwürdig", sagte Barroso in Brüssel zwei Tage vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Er erwarte, dass eine "große Mehrheit" der Kommissionsvorschläge zur künftigen Klima- und Energiepolitik der EU angenommen werde. "Diese Woche sind die Augen der ganzen Welt auf den Europäischen Rat gerichtet, von Washington über Moskau bis Peking", sagte Barroso. Die Beschlüsse der EU hätten Signalkraft weit über die Grenzen Europas hinaus.

"Ich werde versuchen, mit meinen besten Argumenten Überzeugungsarbeit zu leisten", sagte Barroso. "Wir machen uns aber auch nichts vor: Die Mitgliedstaaten müssen mitziehen." Die Vorreiterschaft im Kampf gegen die Erderwärmung biete der EU auch Wettbewerbsvorteile und bis zu 300.000 neue Arbeitsplätze. "Dieser Markt bietet auch Chancen." Die Behörde fordert, dass die EU den Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 um mindestens ein Fünftel verringert und den Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix auf 20 Prozent erhöht. Außerdem soll der Energieverbrauch um 20 Prozent gesenkt werden. "Damit könnte man 100 Milliarden Euro sparen", sagte Barroso.

Polen blockiert

Eine Reihe von EU-Staaten, vor allem die neuen Mitglieder und ganz besonders Polen, sind gegen verpflichtende Zielmarken. Als Begründung nennt Warschau unter anderem wirtschaftlichen Nachholbedarf. Frankreich kritisiert, dass Bundeskanzlerin Merkel als amtierende EU-Ratsvorsitzende das Thema Atomenergie ausgeklammert. Barroso bekräftigte, es müsse eine gerechte Lastenverteilung auf Länderebene geben. Für die Atomenergie seien aber einzig die Mitgliedstaaten zuständig.

Zumindest eine grobe Linie erhofft sich Barroso auch bei der umstrittenen Trennung von Stromerzeugung und Netzbetrieb. Die Kommission schlägt für mehr Wettbewerb auf dem Energiesektor eine eigentumsrechtliche Zerschlagung oder die Entflechtung in Produzenten und unabhängige Netzbetreiber vor. Besonders Deutschland und Frankreich sind wegen ihrer starken Gebietsmonopolisten gegen die von Barroso bevorzugte Zerschlagung. Jetzt scheint es eine dritte Möglichkeit zu geben: Die Schaffung regionaler Netzbetreiber. "Das wäre auf jeden Fall ein Fortschritt", sagte Barroso. "Uns wäre aber die volle, eigentumsrechtliche Entflechtung am liebsten."

Energiefahrplan für Europa

Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, warnte vor zögerlichem Handeln angesichts des bedrohlichen Klimawandels. "Wenn wir nicht bereit sind, die notwendigen Dinge zu tun, dann verspielen wir die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder", sagte der CDU-Politiker. Er verlangte eine Verringerung des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes bis 2020 um 30 Prozent und einen verpflichtenden Anteil von erneuerbaren Energien am Energiemix in Höhe von 25 Prozent. Auch die Kernenergie müsse eine "angemessene Rolle" spielen.

Ein breites Bündnis aus Abgeordneten, Umweltschützern und Industrieverbänden verlangte einen wirksamen Energiespar-Plan für Europa. "Wir wollen, dass die Regierungen nicht nur über Ziele reden, sondern etwas Verbindliches beschließen", sagte der schwedische Europaabgeordnete Anders Wijkman. Die deutsche Europaabgeordnete und Vorsitzende des Bündnisses, Mechthild Rothe (SPD), erklärte, die EU könnte ihren Energieverbrauch ohne wirtschaftliche Nachteile um bis zu 30 Prozent drosseln. "Wir können uns kein längeres Pingpong-Spiel zwischen den Betroffenen und den politisch Verantwortlichen leisten", sagte Mariangiola Fabbri vom World Wide Fund for Nature. (tso/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false