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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) steht heftig in der Kritik.

© Daniel Karmann/dpa

Bremer Asyl-Affäre: Bamf-Mitarbeiterin offenbar von Schicksalen der Jesiden bewegt

In der Bremer Asyl-Affäre soll die beschuldigte Mitarbeiterin aus humanitären Gründen gehandelt haben. Sie half offenbar vor allem Jesiden.

In der Bremer Asylamts-Affäre verdichten sich die Hinweise, dass die beschuldigte Ex-Außenstellenleiterin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht aus Eigennutz, sondern aus humanitären Beweggründen gehandelt haben könnte. Über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet die inzwischen vom Dienst entbundene Beamtin fast täglich Nachrichten zu Flüchtlingsthemen und speziell über die Verfolgung von Jesiden.

Zuletzt gab sie am Freitag die Mitteilung eines Mitarbeiters einer jesidischen Hilfsorganisation weiter, in der es hieß: „We Yezidis die every day. We have no rights in the Middle East“ („Wir Jesiden sterben jeden Tag. Wir haben keine Rechte im Nahen Osten“).

Die Beschuldigte soll in den Jahren 2013 bis 2016 dafür gesorgt haben, dass mindestens 1200 vor allem jesidische Asylbewerber anerkannt wurden, obwohl die Bremer Bamf-Außenstelle dafür gar nicht zuständig gewesen sei – und dies, ohne die Sachverhalte korrekt zu überprüfen.

Ermittlungen auch gegen drei Rechtsanwälte

Nach Informationen des Rechercheverbunds von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und Radio Bremen sollen die Antragsteller nur unzureichend oder gar nicht erkennungsdienstlich behandelt worden sein. So habe die Amtsleiterin offenbar verhindern wollen, dass die Flüchtlinge in andere Staaten zurückgeschickt werden müssten, in denen sie bereits registriert worden waren.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen drei Rechtsanwälte. Sie sollen die vor allem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen lebenden Asylbewerber dazu veranlasst haben, ihre Anträge in Bremen zu stellen. Offenbar versprachen sie sich davon eine schnellere und sicherere Anerkennung als in anderen Bundesländern. Allerdings werden Jesiden auch anderenorts häufig als Flüchtlinge oder Asylberechtigte anerkannt. Denn diese religiöse Minderheit wird im Irak und in Syrien vor allem von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) verfolgt.

Die Ermittlungen laufen nicht nur wegen „Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“, sondern auch wegen Bestechung und Bestechlichkeit. Die Staatsanwaltschaft hat aber keine Belege dafür, dass Geld geflossen wäre; bisher vermutet sie nur, dass die Beamtin private Einladungen zum Beispiel zum Essen angenommen habe. Medienberichten zufolge soll einer der drei Anwälte ihr früherer Lebensgefährte sein.

Nach Informationen des Rechercheverbunds halten Kenner der Materie es für kaum vorstellbar, dass die Amtsleiterin aus krimineller Energie gehandelt habe. Sie sei bekannt dafür gewesen, umstrittene Entscheidungen nicht bürokratisch, sondern menschlich zu fällen.

Innenminister Seehofer kündigt Untersuchungen an

Die linke Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke äußerte die Befürchtung, „dass hier eine unliebsame Mitarbeiterin des Bamf an den Pranger gestellt werden soll“, weil sie den restriktiven Asylkurs der Bundesregierung nicht habe mittragen wollen.

Das Bamf wollte sich auf Nachfrage des Tagesspiegels nicht dazu äußern, wie viele der Asylanträge auch ohne die mutmaßlichen Manipulationen anerkannt worden wären. Die Behörde will alle Fälle jetzt überprüfen und rechtswidrige Anerkennungen widerrufen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte im ZDF an, er werde eine unabhängige Untersuchung anordnen. „Ich möchte wissen, ob es hier Systemmängel gibt, die solche Dinge ermöglichen.“ Wenn ja, müsse das Bamf reformiert werden.

Der damals noch nicht amtierende Minister sagte bei einem Auftritt in Bayern ferner: „Das ist ein schlimmer Vorfall, der mich schwer bedrückt.“ Er wolle die Mitarbeiter des Bamf nicht unter Generalverdacht stellen. „Es scheint aber offenbar schräge Entwicklungen gegeben zu haben.“ Der „Bild“ sagte Seehofer, die Untersuchungskommission könnte von einem hohen ehemaligen Richter oder vom Bundesrechnungshof geleitet werden. Außerdem rief er Kommunalpolitiker und Ausländerbehörden dazu auf, Ungereimtheiten bei Asylverfahren direkt seinem Ministerium zu melden.

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