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Auch die US-Botschaft befindet sich in der Grünen Zone in Bagdad.

© REUTERS

Update

Raketen auf Grüne Zone: Bagdads Regierungsviertel erneut unter Beschuss

Trotz Zeichen der Deeskalation zwischen den USA und Iran gibt es wieder einen Raketenangriff – vermutlich durch Milizen. Der Irak fürchtet um seine Souveränität.

Die Spitzen der USA und des Iran senden Botschaften der Deeskalation. Doch die Angriffe im Nahen Osten gehen weiter. In der Nacht zu Donnerstag sind in der irakischen Hauptstadt Bagdad erneut Raketen im Regierungsviertel eingeschlagen. Zwei Raketen des Typs Katjuscha seien in der hoch gesicherten Grünen Zone niedergegangen, teilte das irakische Militär mit. Verletzte habe es nicht gegeben. Das Regierungsfernsehen berichtete, es seien Explosionen und Alarmsirenen zu hören gewesen.

Der Angriff erfolgte Beobachtern zufolge kurz vor Mitternacht. Von wem er ausging, war zunächst unklar. Vermutlich stecken schiitische Milizen dahinter.

Der Raketenbeschuss erfolgte nur einen Tag nach einem technisch aufwendigeren Angriff auf internationale Militärbasen im Irak, zu dem sich der Iran selbst bekannt hatte. In der Nacht zum Mittwoch waren nach US-Angaben elf aus dem Iran abgefeuerte ballistische Raketen im Luftwaffenstützpunkt Ain al-Assad westlich von Bagdad und fünf in Erbil eingeschlagen. Die Iraker sprachen von 22 Raketen. Alle gingen demnach über Standorten der von den USA angeführten internationalen Koalition zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nieder.

Dabei handelte es sich um eine Vergeltungsmaßnahme für die gezielte Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch die USA am vergangenen Freitag in Bagdad. Neben Soleimani war bei dem Drohnenangriff auch der Vizechef der pro-iranischen Hasched-al-Schaabi-Milizen, Abu Mehdi al-Muhandis, getötet worden. Der Iran hatte sich in der Vergangenheit der Milizen bedient – koordiniert durch Soleimani. Am Mittwoch drohten die schiitischen Einheiten mit massiver Vergeltung für al-Muhandis Tod.

Bei dem späteren Angriff auf die Grüne Zone handelte es sich bereits um die dritte Raketenattacke auf das Viertel seit der Tötung von Soleimani und al-Muhandis. Bereits am Sonntag waren zwei Raketen desselben Typs dort. In dem Regierungsviertel liegen unter anderem die Botschaften der USA und Großbritanniens sowie irakische Ministerien und das Parlament. Am Samstag waren zudem mehrere Raketen in Bagdads Zentrum sowie auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Balad niedergegangen, der etwa 80 Kilometer nördlich der Hauptstadt liegt. Berichte über Opfer oder Schäden gab es nicht.

In und nahe der Grünen Zone in Bagdad sind in vergangenen Monaten und Jahren mehrfach Raketen und Mörsergranaten niedergegangen. Teilweise wurden dabei auch Menschen getötet oder verletzt.

Iran soll Milizen zum Verzicht auf Angriffe aufgefordert haben

US-Vizepräsident Mike Pence hatte noch am Mittwoch berichtet, der Iran, habe verbündete Milizen aufgefordert, keine US-Ziele anzugreifen. Es gebe ermutigende Geheimdienstinformationen, dass die Führung in Teheran Mitteilungen an diese Milizen geschickt habe, nicht gegen US-Ziele oder amerikanische Zivilisten vorzugehen. "Wir hoffen, dass diese Botschaft weiterhin Widerhall findet", sagte Pence in einem Interview des TV-Senders CBS News. Der jüngste Angriff auf die Grüne Zone deutet zunächst nicht darauf hin.

Nach Einschätzung der Bundesregierung ist er allerdings nicht dem Iran zuzuordnen. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte in der ARD, er gehe nicht davon aus, dass dies ein staatlicher Angriff gewesen sei. Vielmehr gebe es in der Region "viele unabhängige Gruppen". Auch das sei ein Zeichen für die Instabilität.

US-Verteidigungsminister Mark Esper sagte zu dem neuen Beschuss, es sei zu erwarten, dass die schiitischen Milizen im Irak mit Angriffen oder anderen Aktionen weiter versuchten, die US-Militärpräsenz in dem Land zu "untergraben". Der Pentagonchef vertrat gleichwohl die Einschätzung, dass durch die Tötung Soleimanis ein neuer "Abschreckungsgrad" erreicht worden sei. Allerdings müsse die weitere Entwicklung abgewartet werden, fügte er hinzu: "Wir werden sehen."

Trump kündigt Sanktionen an, aber keinen Militärschlag

US-Präsident Donald Trump hatte zuvor in einer Fernsehansprache deutlich gemacht, dass er trotz der iranischen Raketenangriffe auf die von der US-Armee und anderen internationalen Streitkräften genutzten Stützpunkte in Ain al-Assad im Westirak und in Erbil vorerst auf Deeskalation setzt. Bei den Angriffen seien keine US-Bürger zu Schaden gekommen, sagte er. Trump kündigte neue Wirtschaftssanktionen, jedoch keine militärische Reaktion an.

Der Iran kündigte zunächst keine neuen Angriffe an. Präsident Hassan Ruhani sagte: „Falls die Amerikaner weitere Angriffe und Verbrechen gegen den Iran planen sollten, werden wir eine Antwort geben, die noch härter ist als der heutige Angriff.“ Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei hatte den Angriff gegen die US-Militärstützpunkte als „Ohrfeige für die Amerikaner“ bezeichnet.

Irak prangert „Verletzung der Souveränität“ an

Die irakische Regierung prangerte nach den iranischen Raketenangriffen eine "Verletzung der Souveränität" des Landes an und stellte die Einbestellung des iranischen Botschafters in Aussicht. Der Irak sei ein "unabhängiges Land" und werde es nicht zulassen, zu einem "Schlachtfeld" gemacht zu werden, erklärte das Außenministerium.

Der Iran versicherte daraufhin, dass er die staatliche Souveränität des Irak respektiere. Sein Land habe vollen Respekt für "die Unabhängigkeit, Souveränität, Einheit und territoriale Integrität" des Irak, erklärte der iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Majid Takht-Ravanchi, am Mittwoch in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat und an UN-Generalsekretär António Guterres.

Der iranische Botschafter bei der UNO erklärte, die Angriffe seien "präzise" gewesen und hätten keine Schäden bei Zivilisten und zivilen Einrichtungen verursacht. Der Iran sei "dem Erhalt des internationalen Friedens verpflichtet" und strebe keine "Eskalation oder Krieg" an, beteuerte Takht-Ravanchi in dem von seiner Delegation veröffentlichten Brief.

USA erklären Tötung Soleimanis zur Selbstverteidigung

Die USA wiederum rechtfertigten bei den Vereinten Nationen die Tötung Soleimanis als rechtmäßigen Akt der Selbstverteidigung gemäß der UN-Charta. Zudem kündigten sie in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat an, notfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Soldaten und Interessen in der Nahost-Region zu schützen.

Die US-Regierung erklärte sich zugleich aber auch zu ernsthaften Verhandlungen mit dem Iran ohne Vorbedingungen bereit, mit dem Ziel, eine weitere Gefährdung des internationalen Friedens und der Sicherheit oder eine Eskalation durch die Führung in Teheran zu verhindern. (dpa, AFP, Reuters)

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