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Das Völkermorddenkmal in Windhoek, Namibia, Afrika

© imago images/imagebroker/Thomas Sbampato

Deutsche Kolonialvergangenheit: Aussöhnungsabkommen mit Namibia vor dem Abschluss

Die deutsche Kolonialgeschichte ist düster. Niedergeschlagene Aufstände zweier Gruppen in Namibia werden von Historikern und Politikern als Genozid bewertet.

Nach jahrelangen Verhandlungen zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit haben sich die Bundesrepublik und Namibia laut Deutschlandfunk auf ein Rahmenabkommen geeinigt. Ueriuka Tjikuua von der namibischen Delegation teilte der Deutschen Presse-Agentur nach Abschluss der jüngsten Gesprächsrunde am Samstag in Berlin mit, ein entsprechender Verhandlungsbericht werde nun den jeweiligen Regierungen und Gremien vorgelegt.

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Das solle im Laufe der kommenden Woche geschehen. Vertreter der Volksgruppen der Herero und der Nama verlangen die offizielle Entschuldigung für zur Kolonialzeit begangene Verbrechen sowie auch eine finanzielle Wiedergutmachung.

Laut Deutschlandfunk ist die Bundesregierung nun bereit, die Tötung Zehntausender Menschen in der Ex-Kolonie Deutsch-Südwestafrika aus heutiger Sicht als Völkermord anzuerkennen. Geplant sei zudem, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt im namibischen Parlament offiziell um Entschuldigung bitten wird.

Ruprecht Polenz (CDU), der Verhandlungsführer der deutschen Seite, wollte das ebenso wenig bestätigen noch dementieren wie der namibische Unterhändler Tjikuua. „Wir haben seit einiger Zeit mit der namibischen Seite Vertraulichkeit vereinbart und werden uns daran halten“, sagte Polenz.

Gespräche zwischen Deutschland und Namibia seit 2015

Im Auswärtigen Amt in Berlin begann kürzlich die neue Runde der Gespräche mit Vertretern Namibias zur Aufarbeitung der gemeinsamen kolonialen Vergangenheit, die 2015 begannen. Im Mittelpunkt stehen die Geschehnisse zwischen 1904 und 1908 in der damaligen deutschen Kolonie.

Zwischen 1870 und 1914 verleibten sich die europäischen Mächte immer mehr Gebiete in Übersee ein. Betrug, Gewalt und Ausbeutung kennzeichneten oftmals die Landnahme und spätere Herrschaft. In dieser Phase des Imperialismus kam auch das gerade erst gegründete Deutsche Reich zu Kolonien, die es im Verlauf des Ersten Weltkriegs faktisch und mit dem Vertrag von Versailles 1919 de iure wieder verlor.

Auflistung der wichtigsten Territorien deutscher Kolonien:

  • Deutsch-Südwestafrika (1884-1915): Ältestes „Schutzgebiet“ und einzige Kolonie mit einer nennenswerten Anzahl deutscher Siedler.
  • Deutsch-Ostafrika (1885-1918): Mit fast einer Million Quadratkilometern und 7,75 Millionen Einwohnern größte deutsche Kolonie. Auch hier gab es immer wieder bewaffnete Auseinandersetzungen mit Einheimischen.
  • Kamerun (1884-1916): Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet bedeutendste Kolonie; großflächiger Kakao-Plantagenanbau.
  • Togo (1884-1914): Handelskolonie mit geringer europäischer Bevölkerung (nie mehr als 350 Personen); wurde neben Samoa als einzige Kolonie ohne Reichszuschüsse verwaltet.
  • Deutsch-Neuguinea (1885/1899-1919): Umfasste unter anderem Nauru und die Palau-Inseln sowie Teile von Papua-Neuguinea, Mikronesien und den Salomonen.
  • Deutsche Samoa-Inseln (1900-1914): Deutschlands „Perle in der Südsee“ blieb ebenso wie Deutsch-Neuguinea wirtschaftlich unbedeutend, kam aber wie Togo ohne Reichszuschüsse aus.
  • Kiautschou (1898-1914): Die Ermordung zweier Steyler Missionare gab den Deutschen den Vorwand, 1897 die Bucht von Kiautschou in Nordchina zu besetzen. Gedacht als Flotten- und Handelsstützpunkt, erfüllten sich die Erwartungen nicht. Stattdessen war die brutale Niederschlagung des Boxeraufstands (1900) ein weiterer Tiefpunkt in der kurzen Geschichte des deutschen Kolonialismus.

Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im heutigen Namibia und schlug die Aufstände zweier Volksgruppen brutal nieder. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 der 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama von deutschen Truppen getötet. Die Ereignisse werden inzwischen sowohl von Historikern als auch von Politikern als Genozid bewertet.

[Mehr zum Thema: Rassistische Völkerschau :Wie in Berlin erstmals Menschen aus deutschen Kolonien ausgestellt wurden (T+)]. 

Historiker fordert Mahnmal für Opfer des deutschen Kolonialismus

Seit Jahren verhandeln beide Regierungen darüber, wie eine Wiedergutmachung aussehen soll. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte bei einem Besuch in Windhuk erklärt, Deutschland habe eine historische Verantwortung und stehe zu daraus erwachsenden Verpflichtungen. Zuletzt waren die Gespräche durch ein von Namibia abgelehntes Entschädigungsangebot, aber auch Beschränkungen durch die Corona-Krise ins Stocken geraten.

Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer fordert zudem einen Gedenkort für die Opfer des deutschen Kolonialismus. Bis heute fehle ein zentrales Denkmal, das beispielsweise an die Herero und Nama erinnere, die im ersten deutschen Genozid des 20. Jahrhunderts im heutigen Namibia starben, sagte Zimmerer in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur. „Ob dieser Gedenkort im Humboldt-Forum sein sollte oder lieber an zentraler Stelle im Regierungsviertel, darüber wird zu sprechen sein.“ (dpa, KNA)

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