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Außenminister Heiko Maas SPD besucht das Epizentrum der Explosion im Hafen von Beirut.

© imago images/photothek

Außenminister an Unglücksstelle in Beirut: Deutschland soll helfen, aber nur den Richtigen

Heiko Maas trifft nach der Explosionskatastrophe Retter in Beirut. Sie fordern: Hilfe darf nicht an die korrupte Regierung gehen.

Unter dem zerstörten Getreidesilo, am 100 Meter weiten und 40 Meter tiefen Krater, den die Explosion in den Beiruter Hafen gerissen hat, lässt sich Außenminister Heiko Maas am Mittwochmittag zunächst erklären, wer hier die Nothilfe maßgeblich leistet: nicht die Regierung. „Wir sind alles Freiwillige“, erzählt Farah Nakkasch, eine 22 Jahre junge Optikerin in grüner Latzhose und Bauhelm. Aufgabe ihrer Zivilschutzeinheit ist die Suche nach Leichenteilen auf Beiruts Ground Zero. „Wir finden immer noch welche“, sagt sie – acht Tage nach dem Desaster.

Heiko Maas ist am Mittwoch in den Libanon gereist, um den Geschädigten Trost zu spenden, den Helfern zu danken und – in der ihm eigenen, bedachten Art – den Machthabern zu erläutern, dass es jetzt wirklich zählt. Staatspräsident Emmanuel Macron hatte das bereits zwei Tage nach der Katastrophe kundgetan, resolut, mit Ultimatum: Am 1. September wolle er Ergebnisse sehen.

Maas ist vorsichtiger, immer noch reichlich diplomatisch. Das Land benötige jetzt „einen kraftvollen Aufbruch“ und „tiefgreifende wirtschaftliche Reformen“, hieß es vorab in seinem Statement. Später wird er dann noch sagen, „dass es nicht viel gibt in diesem Land, was bleiben kann, wie es ist“. Das hätten ja auch die vielen Menschen auf der Straße deutlich gemacht.

Aufräumarbeiten kommen nur langsam voran

Im Hafen erklärt dem Minister ein junger Feuerwehrmann, der bei der Detonation zehn seiner Kollegen verloren hat, dass sie Geld brauchen für Medikamente. Nur langsam werden die Trümmerhaufen abgetragen. Lastwagenwracks, Betonstücke, bizarr verformter Stahl, Containerreste; vom Krater, der sich mit schmutzigem Meerwasser gefüllt hat, weht noch immer ein chemischer Geruch durch den Hafen, Spuren des Ammoniumnitrats, das hier über sechs Jahre unverantwortlicherweise lagerte, bevor es detonierte.

Ohne ausländische Hilfe geht es nicht

Ähnlich sieht es in weiten Teilen der Stadt aus. Zwölf Kilometer beträgt der Radius der Explosion. 171 Menschen starben, 6000 wurden verletzt, bis zu 15 Milliarden Dollar soll der Sachschaden betragen. Für das marode Land ist das alleine nicht zu verkraften. Der Libanon ist bereits mit über 90 Milliarden Dollar verschuldet, erst im Frühjahr musste die Regierung Bankrott erklären. Ohne ausländische Hilfe kann es, bei allem zivilen Einsatz, nicht gehen.

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Deutschland hat dem Libanon mehr als 20 Millionen Euro Soforthilfe versprochen. Zusätzlich übergibt Maas am Mittwoch auf dem Beiruter Flughafen einen Scheck über eine Million Euro an das Rote Kreuz. „Wir kennen unsere libanesischen Kollegen seit Jahrzehnten“, versichert eine deutsche Rotkreuzlerin, das Geld fließe jetzt in Krankenwagen, eine Blutbank und die Katastrophenversorgung.

Auch das Technische Hilfswerk ist vor Ort. „In diesem Ausmaß hat noch keiner von uns solche Zerstörung erlebt“, erklärt Gruppenleiter Jörg Eder am Krater. „Die Bilder dieser Explosion haben auch in Deutschland das Vorstellungsvermögen vieler überstiegen“, sagt Heiko Maas. Und dass man zu Hause stolz sei über den Einsatz der Helfer: „Das ist eine gute Visitenkarte.“ Der junge libanesische Feuerwehrmann, der seit einer Woche kaum mehr schläft, erklärt nach dem Gespräch mit dem Außenminister, dass Deutschland auf keinen Fall seiner Regierung helfen dürfe: „Sie interessieren sich nicht für uns.“ Das seien alles Korrupte.

Siemens-Chef reist mit nach Beirut

Nach Beirut ist überraschend auch Joe Kaeser gekommen. Der Siemens-Chef hatte bereits vor zwei Jahren angeboten, das kaputte Elektrizitätssystem des Landes zu reformieren, war damit aber wohl am Widerstand korrupter Kreise gescheitert, die mit der maroden Infrastruktur kräftig Kasse machen, während die Bevölkerung leidet.

Im Gespräch mit Staatspräsident Michel Aoun bietet Kaeser nun die Herbeischaffung von zwei mobilen Gasturbinen an. 50 Millionen Dollar würde die Nothilfe von Siemens betragen und 150.000 Menschen sofort helfen. Ob die Machthaber dieses Mal annehmen? „Abwarten“, sagt Kaeser.

Thore Schröder

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