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Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) beim Truppenbesuch in Irak im vergangenen Sommer.

© Michael Kappeler/dpa

Auslandseinsätze der Bundeswehr: Die Regierung hält zu Unrecht Informationen zurück

Die Regierung will Lageberichte zu Auslandseinsätzen nicht veröffentlichen - mit kuriosen Argumenten. Jetzt entscheidet der BGH. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

So schnell ändert sich die Lage: „Die Proteste in Irak hatten unverändert keine Auswirkungen auf die Auftragsdurchführung der deutschen Soldatinnen und Soldaten“, hieß es eben noch in der jüngsten wöchentlichen „Unterrichtung der Öffentlichkeit“ durch die Bundeswehr, Ausgabe 51/2019, zur Stabilisierungsmission in Irak.

Nun wollen die Grünen angesichts der Iran-USA-Konfrontation Truppenteile abziehen, Schulungsprogramme für irakische Sicherheitskräfte wurden bereits gestoppt. Was dagegen weiterläuft: Ein auf den ersten Blick skurriler Rechtsstreit darum, ob derartige amtliche Berichte zu Bundeswehr-Auslandseinsätzen schöpferische Werke sind. Das nämlich behauptet die Bundesregierung und will mit diesem Argument Veröffentlichungen durch andere unterbinden. An diesem Donnerstag entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH). Das Urteil bringt hoffentlich Klarheit – und erteilt dem Staat eine Absage, sich als eine Art Künstler aufzuspielen.

Ein Einsatzbericht für alle - Geheimnisse werden keine verraten

Gegen die Publikation der ohnehin frei verfügbaren „Unterrichtung der Öffentlichkeit“, genannt UdÖ, hat die Bundeswehr nichts einzuwenden. Anders sieht es bei der parallel herausgegebenen „Unterrichtung des Parlaments“ (UdP) aus, die inhaltlich tiefer geht. Sie wird als Verschlusssache eingestuft. Trotzdem hatte die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ vor ein paar Jahren tausende Seiten online gestellt, die als „Afghanistan-Papiere“ über die Mission am Hindukusch Schlagzeilen machten. Geheimnisse wurden dabei keine verraten, nur aus einer UdP wurde, ungewollt, eine UdÖ – ein Einsatz-Lagebericht für alle.

Das passte der Regierung nicht. Es war aber weder eine Straftat noch ließ es sich sonst verbieten. So verfiel man auf das Urheberrecht. Aus Ministerialbeamten wurden Schöpfer, aus Lageberichten kopiergeschützte Werke. Eine Idee mit beachtlicher Karriere. Immer wieder beruft sich die Regierung seitdem auf Urheberrechte, wenn sie die Herausgabe von Dokumente verweigert oder deren Veröffentlichungen verhindern will. Leider durchaus mit Erfolg. Auch im Streit um die Afghanistan-Papiere wurde der Regierungsklage zunächst stattgegeben.

Wo versteckt sich der „schöpferische Geist“?

Erst seit der BGH in dem Verfahren den Europäischen Gerichtshof eingeschaltet hat, dreht sich der Wind. Die Europa-Richter überließen zwar der deutschen Justiz das letzte Wort, machten aber deutlich, dass Urheberrechte nur für Hervorbringungen auf „freier, kreativer Entscheidung“ gelten können, wenn dabei „schöpferischer Geist in origineller Weise zum Ausdruck“ komme.

Bei Bundeswehrberichten? Hier wird, nach Jahren der Prozesse, ein Irrtum sichtbar. Die Regierung hat sich eine Rolle angemaßt, die ihr nicht zusteht. Urheberrechte sind letztlich Verfassungsrechte. Sie wirken für die Bürger und gegen den Staat. Nicht andersherum.

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