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Wenn die Soldaten im sächsischen Marienberg verlegt werden, verladen sie ihre Schützenpanzer vom Typ Marder auf Güterzüge.

© Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Auge in Auge mit den Mardern: Im Erzgebirge offenbart sich Lambrechts Panzerproblem

Die Verteidigungsministerin besucht Grenadiere in Sachsen und sieht, wie prekär die Lage der Bundeswehr ist. Altes Gerät wird auf einmal wieder gebraucht.

Der Kommandant lobt seinen Panzer für seine „Schlichtheit“. Einfach gebaut und bedienbar, ohne viel technischen Schnickschnack, deshalb auch im Gelände schnell und mit der eigenen Hände Arbeit wieder flott zu kriegen. „Der Marder“, sagt einer der G36-Schützen an Bord, der Hauptgefreite Paul, „ist der beste Freund des Panzergrenadiers“.

Weil er sich auf das Gefährt aus den siebziger Jahren verlassen kann - anders als die Kollegen auf dem High-Tech-Nachfolgemodell Puma, der zuletzt wieder für negative Schlagzeilen sorgte.

Die „Marienberger Jäger“ präsentieren am vergangenen Donnerstag ihrer Verteidigungsministerin, was sie können. Die mit dem Hubschrauber ins Erzgebirge eingeschwebte Christine Lambrecht erfährt unter anderem, dass sich der Turm des mit Tannenzweigen getarnten Marders um 360 Grad drehen lässt, der Verbrauch im Feld bei 400 Litern liegt, die 20-Millimeter-Bordkanone eine Reichweite von einem Kilometer hat und der neuerdings zusätzlich montierte Lenkflugkörper vom Typ Mells vier Mal so weit schießen kann.

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Den schaut sich Lambrecht besonders genau an, gehört das Waffensystem doch zu den „Nutzungsdauerverlängerungsmaßnahmen“, wie es im Bundeswehrsprech heißt. Will heißen: Die eigentlich überalterten Schützenpanzer, die schon viel früher flächendeckend hätten ersetzt werden sollen, müssen noch länger durchhalten und werden zumindest ein wenig modernisiert. Nun sind auch noch fünf von den neun Panzergrenadierbataillonen der Truppe, die schon mit dem Puma ausgerüstet worden waren, wenigstens vorübergehend nicht einsatzfähig.

Das Bataillon 371 füllt eine Nato-Lücke

Aus dieser Not heraus ist auch Lambrechts Visite entstanden. Nach dem Ausfall der Puma, über den die Ministerin an diesem Freitag noch einmal mit Vertretern der Rüstungsindustrie sprechen wird, mussten kurzfristig zwei Kompanien des Panzergrenadierbataillons 371 mit ihren Mardern die Lücke einer wichtigen Mission schließen: 400 Angehörige des Standorts mit ihren 28 Marder-Panzern sind seit Jahresbeginn Teil der Very high readiness joint task force (VJTF), einer Art Nato-Bereitschaftsdienst für den Fall der Fälle.

Lambrecht hofft zwar, dass das neue Jahr „etwas friedvoller werden wird als das letzte“, wie sie in Marienberg sagt, aber eine Verlegung deutscher Truppen an die Ostflanke des Bündnisgebiets ist bei der anhaltenden Bedrohung keinesfalls ausgeschlossen. Im vergangenen Jahr, als die Franzosen das Gros der Kräfte stellten, wurden 200 Mann an die Grenze der Slowakei zur Ukraine verlegt. Jetzt muss die Truppe aus Sachsen innerhalb von zwei bis sieben Tagen abmarschbereit sein. Längere Urlaube sind da nicht drin.

Anonyme Kritik an der Ministerin

Es kommt also vieles zusammen, was sich bei diesem Truppenbesuch besichtigen lässt. Eine Ministerin, die gehörig unter Druck steht und auch unter Soldaten, wenn sie anonym bleiben können, für ihr Silvestervideo Kopfschütteln erntet. Dazu eine Truppe, die improvisieren muss, um die der Nato oder der Ukraine gemachte Zusagen auch erfüllen zu können. Marder bilden schließlich den Kern der zusätzlichen Unterstützung Kiews, auf die sich Bundeskanzler Olaf Scholz vergangene Woche mit US-Präsident Joe Biden verständigt hatte.  

Immerhin kann Lambrecht ihnen an diesem Tag versichern, dass die 40 Kiew versprochenen Marder-Panzer nicht aus der aktiven Truppe kommen werden: „Das wird nicht der Fall sein.“ Stattdessen sollen bereits begonnene Reparaturen beschleunigt werden. Und es finden Gespräche statt, ob Griechenland eventuell etwas länger auf seine 40 Stück im Rahmen eines sogenannten Ringtausches warten kann. Selbst von den alten Panzern, so viel wird in Marienberg besonders deutlich, herrscht bei der Bundeswehr nicht gerade ein Überangebot.

Bei den mächtigeren Kampfpanzern von Typ Leopard, deren Überlassung an die Ukraine der nächste Schritt der Militärhilfe sein könnte und immer lauter diskutiert wird, wäre das kaum anders. Eine Abgabe älterer Leopard-1-Modelle, die in den Neunzigern ausgemustert nun in den Lagerhallen der Industrie stehen, wäre wohl denkbar, ist aus dem Heer zu hören, bei den neueren Leopard-2-Varianten sei die Bundeswehr selbst auf die 320 Stück im Bestand angewiesen.

Die Debatte aber tobt, und Lambrecht muss sich in Marienberg dazu äußern. Anders als manch andere in der Ampelkoalition bleibt die Verteidigungsministerin freilich bei der vom Kanzler vorgegebenen Linie, „nichts auszuschließen“. Habe man doch auch gerade erst politisch auf die neue Lage in der Ukraine reagiert: „Jetzt stellen wir uns auf die veränderte Situation ein durch die Lieferung von Mardern.“

Darüber, dass einige internationale Partner längst Leoparden schicken wollen, will Lambrecht noch nicht diskutieren – es gebe dazu „keinerlei Anträge“. Das könnte sich freilich ändern, wenn sie nächste Woche im sogenannte Ramstein-Format ihre Amtskollegen aus jenen Ländern trifft, die die Ukraine unterstützen.

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