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Wenn Senioren isoliert würden, nicht mehr raus könnten, stiege die Gefahr der Vereinsamung.

© imago

Auf der Suche nach der Exit-Strategie: Nach dem Shutdown steigt die Gefahr für die Senioren

Wenn der Shutdown gelockert wird, müssen Senioren noch besser geschützt werden – durch Isolation?

Unter Virologen und Politikern wird diskutiert, nach Ostern den Shutdown zu lockern. Dabei sollen Risikogruppen, wie Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen geschützt werden – durch Isolation.

Doch das könnte nicht nur die Einsamkeit der Betroffenen verstärken, sondern auch die Pflege vor eine weitere Probe stellen.

Was versprechen sich Virologen davon, ältere Menschen zu isolieren?

An der Infektionskrankheit Covid-19 können Menschen jeden Alters erkranken und auch sterben. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf bei älteren Menschen und bei solchen mit Vorerkrankungen besonders hoch. Wenn die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung nach Ostern allmählich wieder gelockert werden, dann steigt die Gefahr einer Infektion dieser besonders vulnerablen Bevölkerungsteile.

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Deshalb werden für diese Risikogruppen dann besondere Schutzmaßnahmen eingerichtet werden müssen. Der Virologe Christian Drosten schlägt ein bevorzugtes Testen dieser Risikogruppen vor, damit Infektionen frühzeitig erkannt und die Behandlung ohne Verzögerung einsetzen kann, was die Genesungschancen erhöht.

Soziale Distanzierung sollte für solche Risikogruppen noch viel länger möglich und vielleicht sogar Pflicht sein, idealerweise auch für Angehörige von Vorerkrankten, damit sie das Virus nicht in den Haushalt einschleppen.

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Was spricht aus medizinischer Sicht gegen eine Isolation der Risikogruppen?

Grundsätzlich ist es nicht gesundheitsförderlich, gerade ältere Menschen über Monate zu isolieren. Es sind nicht nur psychische Folgeerkrankungen wie Depressionen zu befürchten, sondern allein schon das Verpassen von Vorsorgeuntersuchungen und ärztlicher Betreuung könnte dazu führen, dass es häufiger zu anderen Erkrankungen und somit auch Todesfällen führt – etwa wenn ein Schlaganfallpatient medikamentös nicht mehr korrekt eingestellt ist.

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Eine Lösung könnte sein, dass Menschen, die eine Infektion bereits überstanden haben und immun sind, die Versorgung der Risikogruppen übernehmen. Dafür ist der breite Einsatz von Tests nötig, die dies nachweisen können.

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Wie will die Politik nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen mit Risikogruppen umgehen?

Auch an politisch verantwortlichen Stellen will niemand von vornherein ausschließen, dass nach einem Auslaufen des allgemeinen Shutdowns ein besonderes Augenmerk auf dem Schutz von Risikogruppen liegen könnte. Nur klingen Isolation und Selbstisolation als theoretisches Modell weitaus einfacher als sie es in der Realität sind, gibt ein Regierungsmann zu bedenken. Zum Einsatz kommen müsse vermutlich ein Bündel von Schritten. Denkbar sei zum Beispiel auch, die heutigen scharfen Regeln in regionalen Pandemie-Hotspots länger bestehen zu lassen als im Rest des Landes.

Die Beschränkungen werden ohnehin nicht auf ein Mal fallen: „Manche Dinge werden sehr lange nicht möglich sein“, sagt einer aus der Regierung voraus, etwa gedrängte Großveranstaltungen. Allzu filigran steuern lässt sich der Exit aber auch nicht – Bürger wie Firmen müssten Lockerungen ja auch verstehen können und mitmachen, heißt es in Regierungskreisen.

Doch für eine fertige Exit-Strategie, selbst für Szenarien sei es noch viel zu früh. Wenn es gut gehe, lasse sich um Ostern herum die Wirkung der Maßnahmen auf die Infektionskurve wie auf die Wirtschaft solide abschätzen. Am Donnerstag will ein EU-Videogipfel beraten, wie man zu einer möglichst abgestimmten Exit-Strategie kommt. Auch beim G-20-Videogipfel am gleichen Tag könnte das Thema werden.

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Wie viele Menschen wären betroffen?

In Deutschland gibt es fast 18 Millionen Frauen und Männer, die 65 Jahre oder älter sind. Damit stellen „Senioren“ 21 Prozent der Gesamtbevölkerung. Weil so viele Menschen wohl nicht pauschal als Risikogruppe eingestuft würden, dürften sich Ärzte und Verwaltung auf die Über-80-Jährigen fokussieren.

Unter Ärzten gelten diese als besonders gefährdet. Im Jahr 2016 waren 170 000 Berliner und Berlinerinnen älter als 80 Jahre alt, inzwischen sind es deutlich mehr. Weder Landes- noch Bundespolitiker haben sich bislang konkret dazu geäußert, für welche Gruppen sie Zwangsquarantäne für geboten halten.

Welche Pläne und Ansätze werden im Berliner Senat erwogen?

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci hatte die Diskussion angestoßen mit ihrer Forderung, Menschen, die älter sind als 70 Jahre, sollen sich zu Hause in Selbstquarantäne begeben. „Abstand ist der sicherste Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus.“

Kurz darauf erklärte sie, es gehöre zur Aufgabe einer Gesundheitssenatorin, in so einer Situation „massive Vorschläge zu machen“.

Hintergrund über das Coronavirus:

Michael Müller (SPD), der Regierende Bürgermeister, reagiert zurückhaltend auf Kalaycis Ideen. Im RBB sagte er: „Sie kennen ja meine Position zur Ausgangssperre, dann können Sie sich vorstellen, wie ich zur Quarantäne stehe“, sagte Müller. Das sei nicht Linie des Senats.

Welche Probleme ergäben sich bei einer weitgehenden Isolation älterer Menschen?

Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbands Berlin, fürchtet, dass gerade Senioren und Seniorinnen, die ohnehin wenig soziale Kontakte haben, in eine Altersdepression stürzen könnten.

Möglich wäre aber auch eine Verelendung der Betroffenen, weil sie ihren Alltag nicht mehr wie gewohnt strukturieren.

Aber selbst, wenn die betagten Menschen noch Angehörige haben, die sich um sie kümmern, könnte es zu Probleme kommen. Die Angehörigen könnten sich aufgrund des erhöhten Betreuungsbedarfs überfordert fühlen. Eine Folge davon könnten durchaus Agrressionen sein, die sich in Gewalt gegenüber älteren Menschen äußert.

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Gäbe es genug Pflegekräfte, um Betroffene im Fall einer Isolation zu versorgen?

Vor einem Jahr waren in Deutschland 1,6 Millionen Pflegekräfte sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wegen der harten Arbeitsbedingungen viele davon in Teilzeit. Grundsätzlich gilt, in Kliniken, Heimen und ambulanten Diensten konnten schon vor der Coronakrise massenhaft Stellen nicht besetzt werden.

Die Charité sucht seit Monaten vergeblich 100 neue Pflegekräfte. Die landeseigenen Vivantes-Kliniken lobten Prämien aus: 3000 Euro Prämie für Berufsanfänger, 9000 Euro sind für diejenigen möglich, die eine Fachweiterbildung für Intensivstationen absolviert haben. Bislang haben sich die Lücken nicht füllen lassen.

Welche Probleme haben ambulante Pflegeeinrichtungen?

Vor allem die Hilfsmittel werden langsam knapp. Die Caritas, die in Berlin 15 ambulante Pflegeeinrichtungen betreibt, verfügt im Moment noch über Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel für die Pflegekräfte. Aber die Bestände werden langsam knapp. Auch beim privaten Unternehmen Talea Pflege sind die Lager noch gut gefüllt. Allerdings gehen einige Mittel, vor allem Hände-Desinfektionssmittel, langsam zur Neige. Derzeit, sagt Marcel Baltes, der Geschäftsführer von „Talea“, gebe es „abenteuerliche Lieferzeiten und Preise“ für Hygiene-Mittel.

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Was machen ältere Menschen, die bisher nicht auf Pflegedienste angewiesen sind?

Diese Gruppe stellt nach Ansicht der Caritas-Direktorin Ulrike Kostka ein besonderes Problem dar. Denn diese Menschen würden oft aus Angst, plötzlich anderen zur Last zu fallen, ihre persönlichen Bedürfnisse einschränken. Sie würden zum Beispiel weniger essen.

Wenn die Betroffenen Familienangehörige haben, können die sich um die Senioren kümmern. Falls diese Menschen aber wenig soziale Kontakte haben, gibt es als Lösung nur ein enggestricktes Netzwerk aus Nachbarschaftshilfe und anderen sozialen Projekten, die Einkäufe und sonstige Aufgaben erledigen.

Ist die Hilfe durch osteuropäische Pflegekräfte gefährdet?

Die häusliche Pflege von Senioren, etwa von Demenzkranken oder Gehbehinderten, wird in Deutschland häufig durch Personen aus Osteuropa geleistet. In gut 300 000 Haushalten helfen diese „guten Geister“, wie sie Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, nennt. Zum „allergrößten Teil“ handele es sich dabei um illegale Anstellungen.

Als die Regierung in Warschau Mitte des Monats umfassende Grenzkontrollen ankündigte, sei es zu einer „regelrechten Fluchtbewegung“ polnischer Pflegekräfte zurück in die Heimat gekommen, so Brysch. Nach seiner Schätzung sind derzeit von deren Wegbleiben mehrere zehntausend Haushalte in Deutschland betroffen.

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Frederic Seebohm, Geschäftsführer des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege, rechnet damit, dass sich das Problem in den nächsten Wochen noch verschärfen wird. „Wenn die Situation weiterhin so unklar bleibt, ist ab Ostern damit zu rechnen, dass 100 000 bis 200 000 Betreuungspersonen schrittweise fehlen werden“, sagt er.

Erschwerend komme hinzu, dass aufgrund der verschärften polnischen Regelungen in Kleinbussen jeder zweite Platz frei bleiben muss, so Seebohm. Auch dadurch werde die Anreise polnischer Pflegekräfte erschwert.

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