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Aufmarsch. Khartum hat zwar eine große Armee und auch etwa 70 Kampfflugzeuge, von denen gilt allerdings nur die Hälfte als einsatzbereit. Wie stark die Truppe wirklich ist, weiß keiner.

© REUTERS

Sudan: Auf dem Weg in den Krieg

Zerstörte Raffinerien, Bomben, Tote – ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung eskaliert die Krise zwischen Südsudan und Sudan.

Die Lage an der Grenze zwischen dem Sudan und dem Südsudan bleibt heikel. Zwar hat der Südsudan seine Truppen vom sudanesischen Ölfeld Heglig zurückgezogen, das neuerdings beide Staaten für sich beanspruchen. Am Donnerstag übergab die südsudanesische Armee zudem 13 kriegsgefangene Soldaten, die am gleichen Tag in Khartum eintreffen sollten, an das Internationale Rote Kreuz. Doch die Rhetorik beider Staaten bleibt kriegerisch: Sudans Präsident Omar al Baschir hat die Regierung in Juba, der Hauptstadt des Südsudans, als „Insekt“ beschimpft. Die Replik aus Juba, auf Khartums Regierung gemünzt, war: „Moskito, der menschliches Blut saugt“.

An direkte Gespräche über die Konfliktpunkte, die seit der Unabhängigkeit Südsudans im Juli 2011 weiter ungeklärt sind, ist derzeit kaum zu denken. Im Gegensatz zu früher steht die internationale Gemeinschaft nicht mehr kritiklos an der Seite des Südsudans. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die Besetzung des Heglig-Ölfelds durch die südsudanesische Armee genauso verurteilt wie die Bombardierung von Städten und Flüchtlingslagern im Südsudan. Auch die Afrikanische Union hat am Donnerstag beide Seiten ultimativ aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Gelinge es innerhalb von drei Monaten nicht, eine Einigung zu finden, werde die AU selbst einen Lösungsvorschlag machen, beschloss der AU-Sicherheitsrat in Addis Abeba. Jetzt ist der Sudan-Vermittler der AU und der UN, Thabo Mbeki, gefordert. Er war zwar bisher nicht allzu erfolgreich, dennoch ist er derzeit wohl der Einzige, der in Gesprächen mit beiden Regierungen möglicherweise eine Entschärfung der Situation erreichen könnte. Aus Kreisen des Außenministeriums hieß es, zumindest Khartum würde eine Shuttle-Diplomatie Mbekis akzeptieren. Die vorerst letzte Verhandlungsrunde, in der es um die Aufteilung der Öleinnahmen ging, war im Februar gescheitert.

Das Heglig-Abenteuer hat den südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir unter massiven Druck gesetzt. Kurz nach der Eroberung der strategisch wichtigen Ölstadt hatte er sich im Parlament in Juba noch mit Kriegsgesängen feiern lassen. Doch dann musste er dem internationalen Druck nachgeben und seine Truppen wieder zurückziehen. Offenbar sind die Verluste groß, unter den Soldaten wie der Zivilbevölkerung. Khartum wiederum behauptet, das Ölfeld sei zurückerobert worden, was den zwischenzeitlich innenpolitisch unter Druck geratenen Präsidenten Omar al Baschir wieder stärkt. Baschir wird wegen der Verbrechen in der westsudanesischen Provinz Darfur vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht.

Die Kämpfe haben sich unterdessen in die Grenzprovinzen Süd-Kordofan und Blauer Nil verlagert. Die Bevölkerungen beider Provinzen hätten nach dem Friedensvertrag von 2005, mit dem der gut 20-jährige verheerende Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden beendet wurde, eigentlich befragt werden sollen, wohin sie gehören wollen. Dazu kam es allerdings nicht. Seit Monaten bombardiert Khartum Rebellen in den Nuba-Bergen in Süd-Kordofan, weshalb mittlerweile gut 80 000 Menschen in den Südsudan geflüchtet sind. Die dort kämpfende Miliz gehörte vor dem Friedensvertrag zur südsudanesischen Rebellenarmee und wird, wenn auch nicht offen, von Juba unterstützt.

Anfang des Jahres hatte Khartum damit begonnen, Öl aus dem Süden zu beschlagnahmen, weil Juba nicht bereit war, höhere Gebühren für die Nutzung der Pipelines des Sudans zu bezahlen. Im Januar stellte der Südsudan deshalb die Ölförderung ein, weil das Land keine Alternative für die Vermarktung des Öls hat. Mit dramatischen Folgen für die Haushalte beider Länder. Der Südsudan finanziert sein Budget zu 98 Prozent aus den Öleinnahmen, der Sudan immerhin zur Hälfte. Der Rest der sudanesischen Ölförderung führte über Heglig, wo das gesamte Öl aus dem Norden wie dem Süden so aufbereitet wurde, dass es durch die Pipelines zur Raffinerie in Khartum oder zum direkten Export geleitet werden konnte. Die südsudanesischen Truppen haben diese Aufbereitungsanlage zerstört, weshalb der Sudan bis auf weiteres seine Ölförderung drosseln muss. Der Finanzminister in Khartum kündigte am Donnerstag neue Haushaltskürzungen an, um Mittel für die Armee zu bekommen. Doch auch ohne Krieg ist der Haushalt in Khartum seit Monaten in Schieflage. Der Südsudan wiederum hat angekündigt, landesweit neue Soldaten anzuwerben.

Am Mittwoch brach Salva Kiir seinen Staatsbesuch in Peking ab. Dort hatte er dem Präsidenten Hu Jintao geklagt, Khartum habe dem Südsudan „den Krieg erklärt“. Peking will nun seinen Afrika-Sondergesandten Zhong Jianhua nach Khartum und Juba schicken. China kauft mehr als 60 Prozent des in beiden Ländern geförderten Öls. Rund 30 Prozent der Ölimporte kommen aus Afrika. Doch Hu lehnte es ab, die geplante Pipeline vom Südsudan durch Uganda und Kenia bis zum neuen Ölhafen auf Lamu zu finanzieren. Darauf hatte Kiir offenbar gehofft. Wenig später beendete er seinen Besuch – offiziell wegen der Luftangriffe des Sudans.

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