zum Hauptinhalt
Zurück auf öffentlicher Bühne - mit umstrittenen Selbsteinschätzungen: Kanzlerin Angela Merkel.

© Fabian Sommer/dpa

Merkels erster öffentlicher Auftritt: Auch aus ihren Fehlern lässt sich lernen

Merkels Wesen macht sie zur quasi idealen Altkanzlerin – woraus sich eine Chance ableitet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wie wusste der Alte Fritz? Ein großer General braucht auch Fortune. Das gilt natürlich in diesen Zeiten für Generalinnen nicht minder. Und für Staatsfrauen, um nicht zu sagen Staatsmänninnen. So hieß es tatsächlich mal. Gleichviel, Angela Merkel ist Deutschlands erste Staatsfrau im Range einer Ex-Kanzlerin und hat Glück – denn damit kann sie das Bild von der Aufgabe über sich selbst hinaus prägen.

Was sie auch tut. Merkel hat, anders als testosterongesteuerte Vorgänger, eine Auszeit genommen, ein ganzes halbes Jahr, sich zurückgenommen, zurückgezogen. Nachgedacht, Bücher gehört. Gut, Macbeth, das dazugehörte, ist in jeder Hinsicht so eine Sache; wenn man daran denkt, dass die Lady ihre Hände reinzuwaschen versucht… Aber wir wollen die Analogie nicht übertreiben, zumal das hier unangemessen wäre. Merkel kann immerhin für sich in Anspruch nehmen, stets ihr Bestes gegeben und versucht zu haben.

Auch Scholz kann von ihr lernen

Ihr Bestes heute ist verbunden mit ihrem Wesen, das sie zur quasi idealen Altkanzlerin macht. Ironisch, sogar mitunter selbstironisch, uneitel in vieler Hinsicht (nur vielleicht nicht in intellektueller), und immer schon politisch überparteilicher, als ihrer CDU gut getan hat. Wie sagte Merkel jetzt, bei ihrem ersten großen persönlichen Auftritt, das auch noch in einem Theater? Sie wünsche der CDU alles Gute. Das läse sich noch besser, wenn es die Schrifttype „Ironica“ gäbe. Na dann. Das erinnert an ihren Satz – als Langzeitvorsitzende –, dass die CDU die Partei sei, der sie nahestehe. Heute lässt sich sagen: nahegestanden hat.

Daraus leitet sich wiederum die Chance ab, über Parteigrenzen hinweg Rat zu geben, tätig zu sein im Hintergrund, und andere, Willige, teilhaben zu lassen an den Erfahrungen. Sage niemand, Merkel habe die nicht reichlich. Aus 16 Jahren mit allen Hochs und Tiefs kann man einiges lernen. Selbst Olaf Scholz.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sicher, die Ex-Kanzlerin bekommt viel Geld im Ruhestand, viele Mitarbeiter, die Büros, die Reisen, alles wird bezahlt, und gerade ist landläufige Meinung: Dafür soll sie auch was tun. Aber erstens weiß Merkel das selbst, zweitens ist es schon gut, dass sie nicht für Gazprom oder wen immer arbeiten muss. Wer unabhängig bleiben will, bleibt es so.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Und an die Adresse des Haushaltsausschusses im Bundestag: Das bleibt am besten auch so. Weil wir als Gesellschaft dann am meisten was von unseren Elder Statespeople haben.

Sie hat noch Dinge aufzuarbeiten

Der ehemalige britische Premierminister Gladstone schrieb im 19. Jahrhundert: „Der Politiker denkt an die nächsten Wahlen, der Staatsmann an die nächste Generation.“ Gut, das war wieder allein auf Männer bezogen. Aber Merkel kann es wahrmachen. Wer von ihr lernen will, kann lernen; übrigens sehr gut auch aus ihren Fehlern. Politik nach Stimmungslage, Führen von hinten – das ist beileibe nicht immer das Mittel der Zeit. Wenn die ehemalige operative Chefin der Republik das auch noch aufarbeiten wollte, selbstkritisch, für sich, für uns alle in ihrem Land, könnte es zukünftigen Generationen umso mehr helfen.

Unter dem Motto ·Was also ist mein Land?· beantwortet Angela Merkel (CDU) im Berliner Ensemble Fragen des Journalisten und Autors Alexander Osang.

© Fabian Sommer/dpa

Nicht gegen amtierende Regierungen zu bollern ist das eine, was Staatsleute unterlassen sollten. Das andere ist Besserwisserei aus dem Off. Die ruft ja – es sei denn von weiland Helmut Schmidt – mehr Widerspruch hervor, als dass sie zwangsläufig zu Einsicht führt. Stattdessen: Themen aus dem Wissensfundus ableiten, große Fragestellungen aufwerfen und persönlich beantworten, ohne Gefolgschaft zu erwarten, Überzeugen mit dem Wort und dem Gedanken – davon kann die Republik gar nicht genug bekommen. Schon gar in diesen wilden, wirren Zeiten.

Ein Rat der Weisen gewissermaßen, den anzunehmen jeder Kanzler gut beraten ist, und wenn das auch hart an der Rolle der Bundespräsidenten entlang verläuft. Der Unterschied ist doch offensichtlich: keine Gravitas, kein Pathos, keine Verführung durch ein offizielles Amt. Raten und Beraten um der guten Sache willen. Merkel kann, Merkel wird gefragt sein. Der Präsident würde dann qua Amt seine Erfüllung in der Aufgabe als Integrationsagentur des Staates finden. Da könnten wir von Glück reden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false