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Im halben Dutzend. Schüler einer 7. Klasse lernen mit iPads im Matheunterricht an einer Oberschule in der Region Hannover.

© Julian Stratenschulte / dpa

Armutszeugnis für Deutschland: Immer wieder Fehler aus Angst vor dem digitalen Versagen

Die Sonderauswertung einer Pisa-Studie von 2018 zeigt von Neuem: Deutschlands digitale Bildung liegt im Argen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Miriam Schröder

Und wieder mal ist es offiziell: Bei der digitalen Bildung gehört Deutschland zu den Nachzüglern unter den Industrieländern. So lautet das Ergebnis einer Sonderauswertung der Pisa-Studie von 2018. Als ob es dafür noch eine Studie gebraucht hätte!

Die Coronakrise hat es offenbart: Schulen ohne Internetzugang, Lehrer ohne Laptops, Schüler, die Papier zur Post bringen mussten – der Rückstand ist so offensichtlich, dass die Bundeskanzlerin die Kultusminister letzte Woche schon zum zweiten Mal zu einem Gipfeltreffen zitiert hat. Digitale Bildung soll Chefsache werden, so die Botschaft.

Die Gescholtenen kamen auch, gelobten Besserung, aber wehrten sich zugleich: Der Bildungsföderalismus müsse unangetastet bleiben, betonte die KMK-Präsidentin. Damit offenbarte sie ein Grundproblem: die fehlende Priorisierung. Es darf jetzt nicht länger um Befindlichkeiten gehen, um Zuständigkeiten und Hierarchien. Es muss darum gehen, aus der Krise zu lernen und anzupacken, statt nur zu diskutieren. Beim Thema Datenschutz beispielsweise.

Es ist zwar richtig: Die Privatsphäre ist ein hohes Gut, Datenschutz ein wichtiges Thema, auch in der Schule. Schülerinnen und Schüler sollten lernen, wie und wozu die Unternehmen, bei denen sie private Bilder und Videos hochladen, ihre Daten verarbeiten.

Auch bei der Lehrerausbildung hapert es

Digitalkompetenz vermitteln aber können nur Lehrkräfte, die selbst welche besitzen – und ausgerechnet bei der Digitalausbildung der Lehrer liegt Deutschland fast auf dem letzten Platz. Dass Lehrer es in einer Ausnahmesituation dann aber vorziehen, nicht oder schlecht zu kommunizieren, weil sie Angst haben, von Eltern oder Datenschützern für die Wahl des Kommunikationstools verklagt zu werden, dürfte niemandem dienen.

Immer wieder diese Angst. Aus Angst, es nicht von Anfang an richtig zu machen, handeln viele Lehrer, Schulleiter oder Kultusminister lieber gar nicht. Testen keine Lernplattformen, von denen auch in Deutschland eine Reihe auf dem Markt sind. Bauen keinen eigenen, datenschutzfreundlichen Messenger, wie es ihn in Finnland oder Frankreich gibt. Denken lieber noch mal nach, warten ab. Schreiben ein Strategiepapier.

Dabei ist jetzt vor allem eines gefragt: Machen – auch auf die Gefahr hin, dass etwas nicht klappt oder wieder korrigiert werden muss. In Großbritannien steht die Regierung unter Beschuss, weil sie Algorithmen zur Notenvergabe im Abitur eingesetzt hat.

Die Algorithmen, stellte sich heraus, waren unfair – sie bevorzugten Schüler, die von besseren Schulen kamen. Die Noten wurden kassiert, die Chefin der zuständigen Behörde trat zurück. In Deutschland könnte das nicht passieren. Hier werden schlicht zu wenig Daten erhoben, um eine KI-gestützte Analyse des Leistungsniveaus einzelner Schüler zu ermöglichen.

Ist das besser? Wohl kaum. Der Vorteil digitaler Bildung liegt ja nicht nur darin, dass sie Unterricht auch während einer Pandemie ermöglicht. Die individuelle Förderung, das Eingehen auf Stärken und Schwächen kann durch Software unterstützt werden – und Lehrern mehr Zeit für das Wesentliche geben. Das Armutszeugnis, das die Pisa-Studie Deutschland ausstellt, muss ein Signal sein: Digitalisierung ist etwas Positives, dass es jetzt mit allerhöchster Priorität anzupacken gilt. Fehler dürfen passieren. Aus Fehlern kann man lernen. Dafür ist Schule ja da.

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