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US-Präsident Joe Biden und First Lady Jill Biden am Sonntag in Dover, Delaware.

© Tom Brenner/REUTERS

Anschläge in Kabul: Die geschockten Staaten von Amerika

Das Land trauert um seine 13 in Afghanistan getöteten Soldaten – und US-Präsident Joe Biden kündigt weitere Vergeltungsschläge an.

Eines der letzten Bilder, das Nicole Gee mit ihrer Familie und Freunden teilt, zeigt die junge Frau mit den straff zurückgebundenen dunkelblonden Haaren in Schutzweste, an der Wand hinter ihr lehnt ein Sturmgewehr. In ihren Armen hält sie ein afghanisches Baby, das sie mit ihren in Handschuhen steckenden Händen vor dem Chaos um sie herum beschützen will.

Die 23-Jährige postet das Foto am 21. August auf der Plattform Instagram und schreibt dazu den Satz: „Ich liebe meinen Job“. Fünf Tage später ist die Marineinfanteristin tot. Ein Selbstmordattentäter sprengt sie, zwölf weitere US-Soldaten und mehr als 100 Zivilisten in die Luft.

Die aus Sacramento im Bundesstaat Kalifornien stammende Gee war eine von zwei Frauen, die vor dem Tor des Kabuler Flughafens auf Evakuierung hoffenden Menschen kontrollierten, als der Selbstmordattentäter vergangenen Donnerstag seine Bombe mitten in der Menge zündete. Am Vorabend hatte die US-Botschaft in Kabul noch alle Amerikaner gewarnt, das Gelände zu meiden, da die Gefahr eines Anschlags sehr groß sei. Die Soldaten waren trotzdem im Einsatz.

Die Gefallenen waren zwischen 20 und 31 Jahre alt

Am Samstag wurden die Namen der elf US-Marines sowie von je einem Soldaten des Heeres und der Navy bekanntgegeben, die beim Anschlag umgekommen waren. Sie waren zwischen 20 und 31 Jahre alt.

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US-Präsident Joe Biden flog am Sonntagmorgen zum Luftwaffenstützpunkt Dover im Bundesstaat Delaware, um die Särge der Soldatinnen und Soldaten in Empfang zu nehmen und mit den Familien der Gefallenen zusammenzukommen. Die 18 bei dem Anschlag verletzten US-Soldaten wurden im Militärkrankenhaus in Landstuhl in Rheinland-Pfalz versorgt.

Die US-Marineinfanteristin Nicole Gee mit einem afghanischen Baby. Sie starb fünf Tage später.
Die US-Marineinfanteristin Nicole Gee mit einem afghanischen Baby. Sie starb fünf Tage später.

© Sgt. Isaiah Campbell/U.S. Marine Corps via AP/dpa

Während Amerika um seine Toten trauert, bleibt die Lage in Kabul extrem angespannt. Am Sonntag gab es Berichte über eine weitere Explosion in den Nähe des Flughafens, die Ursache und ob Menschen verletzt wurden, war zunächst noch unklar.

Biden warnt vor weiteren Anschlägen

Biden hatte am Samstag davor gewarnt, dass die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Anschlags der Terrorgruppe IS in den nächsten 36 Stunden sehr hoch sei. Am Dienstag endet die Frist, die der Präsident für den Abzug der US-Truppen nach fast 20 Jahren Kriegseinsatz gegeben hat.

Die Zahl der pro Tag ausgeflogenen Personen sinkt bereits. Wurden in der vergangenen Woche teilweise rund 19.000 Menschen innerhalb von 24 Stunden evakuiert, waren es nach Angaben des Weißen Hauses von Samstag auf Sonntag nur etwa 2900 Menschen, die mit 32 Flügen der US-Luftwaffe und neun von Verbündeten in Sicherheit gebracht wurden.

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Damit sind 114.000 Menschen seit dem 14. August ausgeflogen worden. Zugleich wird bereits ein Teil der zuletzt noch 5000 US-Soldaten und Ausrüstung ausgeflogen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters warten am Flughafen noch rund tausend Ausländer auf ihre Evakuierung.

Drohnenangriffe gegen IS-Stellungen

Der Schock über den für die US-Armee tödlichsten Tag in Afghanistan seit zehn Jahren ist riesig. Biden steckt unter enormem Druck. Seiner Regierung wird vorgeworfen, den Abzug nicht ausreichend geplant zu haben.

Nachdem Biden den Drahtziehern der Anschläge am Freitag Vergeltung angekündigt hatte, ließ er bereits einen Tag später Drohnenangriffe gegen IS-Stellungen in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans fliegen. Dabei wurden nach US-Angaben zwei ranghohe Mitglieder des regionalen IS-Ablegers getötet.

Pentagon-Sprecher John Kirby machte keine Angaben darüber, ob sie direkt in den Anschlag verwickelt waren. Biden kündigte zudem weitere Vergeltungsschläge an. Dies sei „nicht der letzte“ Angriff gewesen, sagte er.

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