zum Hauptinhalt
Außenministerin Annalena Baerbock will in der Türkei Klartext reden.

© dpa/Christophe Gateau

Zu Besuch bei schwierigen Partnern: Annalena Baerbock reist in die Türkei

Nato-Streit, Spannungen mit Griechenland, Erdogans Zusammenarbeit mit Despoten. Die Außenministerin hat viel Unangenehmes zu besprechen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) muss sich bei ihrem ersten Besuch in der Türkei an diesem Freitag auf Gesprächspartner gefasst machen, die sich stark genug fühlen, ihren Verbündeten die Leviten zu lesen. Außenminister Mevlüt Cavusoglu, den Baerbock am Freitag treffen will, warf dem Westen kürzlich vor, den Ukraine-Krieg in die Länge ziehen zu wollen, um Russland zu schwächen.

Die Türkei dagegen trete für den Frieden ein, sagte er dem Fernsehsender TV100. Vermittlungsmissionen seien für die Türkei zu einem „Markenzeichen“ geworden: „Das kann nicht jedes Land.“ Baerbock will nach eigenen Worten in Istanbul und Ankara „fundamentale Differenzen“ zwischen Deutschland und der Türkei ansprechen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Ukraine-Krieg dürfte eines der wichtigsten Themen bei dem Besuch werden. Die Türkei und die UNO hatten vorige Woche eine Vereinbarung erreicht, die Getreidelieferungen aus der Ukraine an die Weltmärkte sichern soll.

Die ersten Schiffe könnten während Baerbocks Aufenthalt in der Türkei beladen werden. Vor ihrer Abreise würdigte Baerbock die türkischen Vermittlungsbemühungen im Ukraine-Konflikt. Ankara sei ein „unverzichtbarer Partner“.

Erdogan will erneut Putin treffen

Die Türkei beteiligt sich nicht an westlichen Sanktionen gegen Russland und ist das einzige Nato-Land mit persönlichen Kontakten zum Kreml auf höchster Ebene. Präsident Recep Tayyip Erdogan traf vorige Woche in Teheran mit Wladimir Putin zusammen und reist kommende Woche für ein weiteres Treffen mit Putin nach Russland.
Eigentlich wollte Baerbock schon im Juni nach Griechenland und in die Türkei reisen, musste aber wegen einer Corona-Infektion absagen; am Donnerstag stand zunächst der Flug nach Griechenland an. Dort will sie an diesem Freitag Gespräche führen und anschließend weiter nach Istanbul und Ankara reisen.
Das Verhältnis zwischen der Türkei und dem Westen hat sich seit Juni eher verschlechtert als verbessert. Erdogan droht Griechenland wegen des Streits um Inseln in der Ägäis mit Krieg und warnt trotz der Grundsatzeinigung in der Nato über den Beitritt von Finnland und Schweden, die türkische Zustimmung zur Norderweiterung sei noch keine ausgemachte Sache.

Erdogan wirft Helsinki und Stockholm vor, Zusagen für die Auslieferung von Anhängern der kurdischen Terrororganisation PKK nicht eingehalten zu haben. Er kritisierte auch den seiner Meinung nach zu laschen Umgang Deutschlands mit PKK-Anhängern. Selbst für die krisen-erprobten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland ist die Problemfülle enorm.

Baerbock will Oppositionsvertreter treffen

Baerbock kündigte an, sie wolle über die türkisch-griechischen Spannungen, die angekündigte türkische Militärintervention in Syrien und Menschenrechtsfragen sprechen. In Ankara will sie auch Oppositionsvertreter treffen. Zu den deutsch-türkischen Kontroversen gehöre auch der Streit um die Internet-Sperre gegen die Deutsche Welle in der Türkei, sagt Kristian Brakel, Türkei-Chef der Heinrich-Böll-Stiftung. Einen Durchbruch zur Lösung wichtiger Streitthemen erwarte er von der Reise der Ministerin nicht.
Schon vor ihrem Besuch machte sich Baerbock bei der türkischen Führung unbeliebt. In der ’Bild’ kritisierte sie Erdogans Treffen mit Putin und dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi in Teheran als „mehr als unverständlich“. Der Sprecher von Erdogans Regierungspartei AKP, Ömer Celik, reagierte mit den Worten, er wisse nicht, „was die deutsche Außenministerin von Diplomatie versteht“.
Auf Verständnis für westliche Sorgen wird Baerbock sicherlich nicht stoßen. „Wir können uns einiges erlauben, weil ihr uns am Ende braucht“, laute die türkische Leitlinie im Umgang mit Kritik aus dem Westen, sagte Brakel. „Das ist in den vergangenen Jahren auch immer aufgegangen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false