zum Hauptinhalt
Blick in den Sitzungssaal mit dem Haushaltsausschuss des Bundestags am 16. November.

© dpa/Kay Nietfeld/Archiv

Anhörung im Haushaltsausschuss: So bewerten Rechtswissenschaftler die Etat-Problematik

Kassensturz, Notlagen-Beschluss, Ausnahmeregel der Schuldenbremse – nach dem Karlsruher Urteil sind Rechtsexperten uneins über die Etatstrategie für das kommende Jahr.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat sich am Dienstag in einer Expertenanhörung mit den Folgen des Verfassungsgerichtsurteils zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) befasst.

Dabei wurden von Sachverständigen unterschiedliche Einschätzungen zu der Frage geäußert, ob der Bundeshaushalt für 2024 trotz des Urteils wie geplant weiter beraten und beschlossen werden kann.

„Der Kernhaushalt ist ausverhandelt und kann vorläufig verabschiedet werden“, sagte Jens Südekum von der Universität Düsseldorf in der Ausschusssitzung. Allerdings werde danach voraussichtlich für 2024 ein Nachtragshaushalt erforderlich sein, um „entweder die Einnahmebasis zu erweitern oder Kürzungen vorzunehmen“.

Hintergrund sei, dass in dem durch das Urteil direkt betroffenen Klima- und Transformationsfonds (KTF) wichtige Projekte enthalten seien, die „nicht in großem Umfang gestrichen“ werden dürften und daher anderweitig finanziert werden müssten.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Im Gegensatz dazu forderte der von der Union bestellte Rechtswissenschaftler Hanno Kube von der Universität Heidelberg zunächst einen Kassensturz. Er verwies darauf, dass auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und damit auch der Kernhaushalt 2023 von dem Gerichtsurteil betroffen sein dürften.

Vor einer Entscheidung über den Etat 2024 müsse daher der Etat 2023 durch einen Nachtragshaushalt „verfassungsrechtlich abgesichert“ werden. Eine zunächst nur vorläufige Haushaltsführung für 2024 müsse dabei in Kauf genommen werden.

Der Rechtswissenschaftler Henning Tappe indes hält einen Beschluss des Etats für das kommende Jahr für möglich. Sollte der Bundestag sich dagegen entscheiden, Projekte aus dem Klimaschutzfonds in den Haushalt für 2024 zu übertragen, seien nur redaktionelle Änderungen nötig, sagte der von den Grünen benannte Experte.

Eine solche Entscheidung könne etwa getroffen werden, wenn der Klima- und Transformationsfonds noch über weitere Mittel verfüge, die vom Urteil nicht berührt seien. Damit widersprach er Kube, der den Etat für 2024 nicht für beschlussreif hält.

Lautes Nachdenken über Ausnahmeregel der Schuldenbremse

Der Rechtswissenschaftler Alexander Thiele riet dem Bundestag dazu, für das laufende Jahr eine Notlage zu beschließen und die Ausnahmeregel der Schuldenbremse zu nutzen.

Anfang 2023 seien die Auswirkungen der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg weiterhin sehr stark spürbar gewesen, sagte der von der SPD benannte Experte. Er würde daher sagen: „Es lag vertretbarerweise eine solche Notlage vor“. „Da wir überjährige Kredite genutzt haben, würde ich der Politik sehr raten, eine solche Notlage jetzt in einem Nachtragshaushalt auch noch festzustellen.“

Auch Kube hält den Beschluss einer neuen Notlage für 2023 für „nicht vornherein ausgeschlossen“. Das könne man so lange argumentieren, wie finanzielle Auswirkungen der Energiekrise spürbar seien.

Wenn man erneut die Ausnahmeregel der Schuldenbremse nutze, müsse dies aber auf die 2023 genutzten Kredite aus dem Topf für die Energiepreisbremsen beschränkt sein. Nur hier gebe es einen direkten Zusammenhang zur Energiekrise.

Damit widersprachen Thiele und auch Kube dem von der AfD benannten Experten Dirk Meyer von der Universität der Bundeswehr Hamburg. Er hatte deutlich gemacht, er sehe kaum eine Grundlage für einen neuen Notlagenbeschluss.

„Eine schlechte Nachricht“ für die Wirtschaft

Auf negative Folgen des Urteils für die ohnehin schwierige Wirtschaftslage in Deutschland verwies Berthold Wigger vom Karlsruher Institut für Technologie.

Langfristige Investitionspläne des öffentlichen Sektors wie sie im KTF angelegt sind, hätten stabilisierend auch auf den privaten Sektor wirken können. Jetzt jedoch entstehe sogar zusätzlich „Unsicherheit bei privaten Investitionsplänen“ von Unternehmen, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern, was „eine schlechte Nachricht“ für die Wirtschaft in Deutschland sei.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Haushaltsausschuss hatte die Anhörung angesetzt, um die Folgen des Urteils klarer abschätzen zu können. Die Beratungen über den Etat 2024 waren daher zunächst unterbrochen worden, sollen im Ausschuss aber an diesem Donnerstag nach der bisherigen Planung abgeschlossen werden. Dies gilt allerdings als ungewiss.

Die Unionsfraktion will die Expertenanhörung zudem bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, ob sie weitere Verfassungsbeschwerden zur Haushaltsführung der Bundesregierung einreicht.

Mit ihrem Einspruch gegen die Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) 2021 hatten CDU und CSU am vergangenen Mittwoch Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass 60 Milliarden Euro an ungenutzten Kreditermächtigungen für den Kampf gegen die Corona-Pandemie nicht rückwirkend in den Fonds verschoben werden dürfen.

Die Mittel waren bislang für klimapolitische Projekte der Ampel-Koalition, aber auch für die Förderung von Investitionsvorhaben von Unternehmen sowie des klimafreundlichen Umbaus der Wirtschaft vorgesehen.

Auch die Zukunft der Energiepreisbremsen könnte infrage stehen, deren Finanzierung über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) läuft. Die Bundesregierung prüft derzeit die Konsequenzen der Karlsruher Entscheidung sowie Möglichkeiten, die fehlenden Gelder zu ersetzen. (AFP, dpa, Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false