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Emmanuel Macron gilt oft als arrogant. Nun will er den Gelbwesten, den Ärmsten im Land, entgegenkommen.

© Yoan Valat/AFP

Angebot an die "Gelbwesten": Emmanuel Macron kämpft an zwei Fronten

Frankreichs Staatschef Macron geht auf die "Gelbwesten" ein - doch eine weitere Gefahr lauert für ihn jenseits des Protests der "gilets jaunes". Ein Kommentar.

Jupiter hat gezeigt, dass er nicht taub ist. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der gelegentlich mit der römischen Gottheit verglichen wird, hat eine Rede gehalten. Nun hat der Staatschef in seiner Präsidentschaft schon etliche Reden gehalten – zu Europa, zur Selbstbehauptung der liberalen Demokratien, zum Umbau des schwerfälligen französischen Wirtschaftssystems. Aber die Ansprache, die er am Montagabend zur besten Sendezeit hielt, richtete sich an die Ärmsten im Land – an die „Gelbwesten“ und alle, die mit ihnen sympathisieren.

Wahrscheinlich werden die Proteste der „gilets jaunes“ auch nach den konkreten Ankündigungen zur Verbesserung der Kaufkraft, die Macron aufzählte, noch eine Weile weitergehen. Aber dem Staatschef gelingt es möglicherweise, mit seiner kleinen sozialpolitischen Wende einen großen Teil der Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen.

Macron, dem seine Gegner das Etikett des „Präsidenten der Reichen“ umgehängt haben, hat in seiner Rede zweierlei bewerkstelligt: Zum einen hat er nach seinen Verbalattacken auf Arbeitslose eine Entschuldigung geliefert, die viele von ihm erwartet haben. Wenn dieses „Mea culpa“ tatsächlich zu einem neuen Stil des Staatschefs – weniger arrogant und mit mehr Empathie – führen sollte, dann könnte dies dem Protest der „Gelbwesten“ die Spitze nehmen.

Zweitens hat Macron, was noch wichtiger ist, konkrete Schritte zur Aufbesserung der Finanzen vieler Franzosen verkündet. 100 Euro zusätzlich pro Monat für Mindestlohn-Bezieher und ein Verzicht auf die Erhöhung der Sozialsteuer für Senioren mit einer Rente von unter 2000 Euro – das ist kein Pappenstiel. Zudem sollen Überstunden nicht mehr mit Steuern und Sozialabgaben belastet werden. Das dürfte acht bis neun Millionen Franzosen zugute kommen.

Nicht weit genug für den harten Kern der Gelbwesten

Dem harten Kern unter den „Gelbwesten“ geht all dies allerdings nicht weit genug. Sie verlangen nichts Geringeres als die Abdankung Macrons. Die ersten Reaktionen der „gilets jaunes“, die an den Verkehrskreiseln überall im Land die Rede des Staatschefs verfolgten, geben einen Eindruck davon, dass es ihnen der Staatschef ohnehin nicht recht machen kann. Macron mag den „wirtschaftlichen und sozialen Notstand" ausrufen, und er kann noch so viele landesweite Konsultationen ankündigen – die Hartnäckigsten unter den Protestlern dürften erst zufrieden sein, wenn die Ära Macron beendet ist.

"Rassemblement National" und Linke suchen ihre Revanche

Doch dazu dürfte es nicht allzu schnell kommen. Macrons Präsidentschaft, die vor 18 Monaten begann, ist auf insgesamt fünf Jahre angelegt. Seine Mehrheit in der Nationalversammlung ist solide, und auch ein möglicher Rückschlag für die Präsidentschaftspartei „La République en Marche“ bei der kommenden Europawahl dürfte an den Machtverhältnissen im Nachbarland zunächst einmal nichts ändern.

Macron ist zu wünschen, dass er seinen Reformkurs, den Frankreich schon lange benötigt hat, auch weiterhin fortsetzen kann. Ob es ihm allerdings gelingt, die geplante Erneuerung der Arbeitslosenversicherung und des Rentensystems durchzuziehen, ist angesichts der seit fast vier Wochen andauernden Protestwelle offen.

Nicht nur die Chefin des rechtsextremen Rassemblement National, Marine Le Pen, sondern auch die linke Bewegung von Jean-Luc Mélenchon und die Sozialisten haben ein Interesse daran, dass der Protest möglichst lange weiterköchelt. Sie alle warten auf ihre Chance, nach der Schmach bei der Präsidentschaftswahl von 2017 die Verhältnisse wieder in ihrem Sinne geradezurücken. "Gelbwesten" und die Opposition in der Nationalversammlung - es ist ein schwieriger Kampf an zwei Fronten, den Macron gerade durchzustehen hat.

Allerdings muss sich auch Macron, selbst wenn er in seiner Fernsehansprache um Verständnis für die Ärmsten bemüht war, vorhalten lassen, dass der angekündigte milliardenschwere Geldregen nur ein Anfang sein kann. In seiner Rede hat der Staatschef kein Wort über den überbordenden Staatsapparat verloren, der die französischen Etat über Gebühr beansprucht.

Es wäre nicht verkehrt, wenn Macron die Staatsausgaben zurückfahren würde – und sein inzwischen wieder in Vergessenheit geratenes Wahlversprechen umsetzen würde, die Stellen von insgesamt 120.000 Staatsdienern zu streichen.

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