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Von links nach rechts: Irene Mihalic (Grüne), Katja Mast (SPD) und Johannes Vogel (FDP), die Ersten Parlamentarischen GeschäftsführerInnen ihrer Fraktionen.

© imago/Metodi Popow/IMAGO/M. Popow

Ampel-Koalition endgültig einig: Das ändert sich bei der Fachkräfteeinwanderung

Von „historischen Entscheidungen“ ist die Rede, und die Ampel demonstriert sogar mal wieder Geschlossenheit. Was nun Gesetz wird, damit mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen.

Die Ampel-Koalition ist endgültig einig geworden über zwei Gesetze zur Bekämpfung des eklatanten Fachkräftemangels: das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz sowie ein Gesetz für mehr Aus- und Weiterbildungsförderung. Beide Vorhaben sollen noch in dieser Woche im Bundestag beschlossen werden.

Zum einen ist das Ziel, im Ausland mehr Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt anzuwerben. Dafür wird unter anderem ein Punktesystem nach Vorbild zum Beispiel Kanadas oder Australiens eingeführt. Ergänzend sollen die Möglichkeiten für inländische Beschäftigte, sich weiterzuqualifizieren, verbessert werden. Von zwei Seiten einer Medaille sprach am Montag Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Sie stellte die Einigung gemeinsam mit Irene Mihalic (Grüne) und Johannes Vogel (FDP) vor.

Der Spurwechsel für Menschen, die Asyl beantragt haben, wird möglich

Im März hatte das Kabinett beide Gesetze beschlossen. Danach gab es im parlamentarischen Verfahren aber noch Änderungen. Unter anderem wurde für Menschen, die bis zum Stichtag 29.3.2023 in Deutschland Asyl beantragt haben, die Möglichkeit eines sogenannten Spurwechsels geschaffen: Wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, unter denen sie nach den künftigen Regeln nach Deutschland hätten kommen können, dürfen sie vom Asylsystem ins System der Arbeitsmigration wechseln.

3500
Euro brutto pro Monat muss künftig ungefähr verdienen, wer per Blue Card einwandern will.

Damit keine falschen Anreize entstünden, sei es wichtig, dass dies nur rückwirkend gelte, sagte FDP-Politiker Vogel. Für alle künftig Ankommenden soll von vornherein klar getrennt werden zwischen jenen, die zum Arbeiten kommen, und jenen, die vor Verfolgung fliehen.

Für Hochqualifizierte, die über eine sogenannte Blue Card einwandern, wurde der Mindestverdienst gegenüber dem Kabinettsentwurf noch einmal deutlich abgesenkt. So sollen mehr dieser dringend benötigten Menschen angeworben werden.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprach am Montag in Berlin von „zwei historischen Entscheidungen“. Auch FDP-Politiker Vogel erklärte, mit der Einführung des Punktesystems werde Geschichte geschrieben. Deutschland müsse besser werden im Wettbewerb um Talente und wolle gleichziehen mit erfolgreichen Einwanderungsnationen. Die irreguläre Migration müsse verringert, die reguläre aber erhöht werden. „Rundum zufrieden“ mit der Einigung zeigte sich die Grüne Mihalic.

Ihr seid uns willkommen.

Katja Mast (SPD) über die Botschaft des Gesetzes an Fachkräfte, die zum Arbeiten nach Deutschland kommen wollen.

Das Punktesystem soll die Einwanderung für Menschen ermöglichen, die noch kein konkretes Arbeitsplatzangebot in Deutschland haben, aber trotzdem Potenzial für den Arbeitsmarkt. Bei der sogenannten Chancenkarte werden Punkte zum Beispiel für berufliche Qualifikation, Sprachkenntnisse und Berufserfahrung gesammelt. Wer genügend Punkte hat, kann für ein Jahr zwecks Jobsuche nach Deutschland kommen. Ein Bezug von Sozialleistungen in dieser Zeit ist ausgeschlossen. Wer nach einem Jahr keinen Job gefunden hat, muss wieder ausreisen.

Auch wird der sogenannte Zweckwechsel ermöglicht: Künftig können Menschen, die mit einem Touristenvisum eingereist sind, direkt in Deutschland bleiben, wenn sie ein Arbeitsangebot haben, das den Kriterien des künftigen Gesetzes genügt. Auch wird eine neue Möglichkeit des Familienmitzugs geschaffen: Wer als Fachkraft kommt, kann künftig auch seine Eltern mitbringen. Voraussetzung dafür ist, dass deren Lebensunterhalt gesichert ist.

Die Union fürchtet, dass zu viele niedrig Qualifizierte einwandern

Das neue Gesetz solle den Menschen ein Signal senden, sagte SPD-Politikerin Mast: „Ihr seid uns willkommen.“ Deutschland dürfe die Fehler im Umgang mit der Gastarbeitergeneration nicht wiederholen. Mast lobte die Zusammenarbeit in der Koalition. „Diese Modernität wäre mit CDU/CSU niemals möglich gewesen“, sagte sie.

Bei der ersten Lesung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Bundestag hatte die Union der Ampelkoalition vorgeworfen, die Hürden für Einwanderung zu weit zu senken und zu viele niedrig qualifizierte Menschen ins Land zu holen. Am Montag sagte Hermann Gröhe, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, die Ampel mache Abstriche bei den Anforderungen an die Bewerber, anstatt die wirklichen Probleme bei der Fachkräftezuwanderung anzugehen. „Obwohl Deutschland seit 2019 über ein modernes Fachkräfteeinwanderungsgesetz verfügt, verhindern lange Wartezeiten bei den Behörden und überlange schwierige Verfahren in vielen Fällen, dass dringend benötigte Fachkräfte sich für Deutschland entscheiden.“

Der zweite Teil des Pakets ist das Gesetz für mehr Aus- und Weiterbildungsförderung. Für junge Menschen wird eine Ausbildungsgarantie eingeführt: Wer keinen betrieblichen Ausbildungsplatz findet, hat Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung etwa über Bildungsträger. Zudem gibt es eine Mobilitätsprämie für jene, die einen Ausbildungsplatz nur weiter entfernt vom Heimatort finden. Ein Qualifizierungsgeld als Lohnersatz soll dafür sorgen, dass Unternehmen im Strukturwandel Beschäftigte für eine Weiterqualifizierung freistellen können. Die Beschäftigten von heute sollten „die Chance haben, die Arbeit von morgen zu machen“, sagte dazu Arbeitsminister Heil.  

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