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Staat und Religion: Am Anfang war das Kopftuch

Burkini, Gebetsräume oder auch Karneval – an deutschen Schulen wird der Konflikt zwischen Staat und Religion besonders erbittert ausgetragen. Oder vielmehr der zwischen Gläubigen und Gesetzen.

Das Konfliktpotenzial mit den Religionsgemeinschaften nämlich, sprich den Kirchen, ist durch Konkordate längst so gut wie ausgeräumt. Der Eindruck, das gelte auch für alle Christen, ist allerdings falsch. Fachleute vermuten, dass es sogar weitaus öfter christliche Eltern sind – aus evangelikalen oder fundamentalistischen Gemeinden meist –, die ihre Kinder vor den Zumutungen moderner staatlicher Pädagogik schützen wollen. 2009 zum Beispiel wiesen die Karlsruher Verfassungsrichter die Klage von Baptisten ab, die ihren Nachwuchs durch Schulkarnevalsfeiern gefährdet sahen. Dennoch sieht die öffentliche Meinung in Muslimen die Hauptstörer des Schulfriedens.

Als Mutter aller Glaubensschlachten darf dabei der baden-württembergische Kopftuchstreit gelten, der vor zehn Jahren vom Bundesverfassungsgericht entschieden wurde. Geklagt hatte die Lehrerin Fereshta Ludin, der die damalige Landesministerin Annette Schavan (CDU) 1998 trotz sehr guter Noten die Einstellung verweigerte, weil sie Kopftuch trug. Die Richter gaben Ludin recht: Für das Verbot habe die Grundlage gefehlt, ein Gesetz. Und das dürfe keine Religion benachteiligen oder privilegieren. Die Landesregierung in Stuttgart – und ein paar andere, insgesamt wurden acht „Kopftuchgesetze“ erlassen – hörte nur den ersten Teil des Urteils; das geänderte Schulgesetz schrieb nun religiöse Neutralität für Lehrer vor, nahm aber christliche und jüdische Symbole ausdrücklich aus.

Das Thema ist ein heißes Eisen geblieben; aus Angst vor organisiertem Volkszorn fassen es weder die muslimischen Verbände mit weiteren Musterklagen noch die neue grün-rote Stuttgarter Regierung mit einer Gesetzesnovelle an. Auch die höchsten Richterinnen und Richter scheinen keine Eile zu haben, sich wieder Ärger einzuhandeln. Die Klagen von zwei nordrhein-westfälischen Pädagoginnen mit Kopftuch sind seit drei Jahren in Karlsruhe anhängig. So unterschiedlich die Fälle sind – Schülerinnen müssen in Deutschland ihre Kopftücher in der Schule sowieso nicht ablegen –, so blieb die Debatte doch keineswegs im Lehrerzimmer hängen. Auch Ärzte, Anwältinnen oder Supermärkte konnten sich seither auf die Schavan’sche Definition des Tuchs als unvereinbar mit dem Grundgesetz und Zeichen kultureller Abgrenzung berufen. Mindestens zweimal schon waren die Klagen muslimischer Frauen dagegen erfolgreich – so 2012 die einer angehenden Berliner Arzthelferin.

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