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Wenn es nach portugiesischen Vorstellungen geht, dann soll der Hafen von Sines für Deutschland wichtiger werden.

© IMAGO/YAY Images

Zwischen Spanien und Frankreich: Altes Pipeline-Projekt könnte Deutschland aus der Gas-Abhängigkeit helfen

Kanzler Scholz hat angesichts der Gas-Knappheit das MidCat-Projekt in Südeuropa ins Spiel gebracht. Aus Spanien und Portugal kommt Zustimmung.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) setzt nicht nur auf den Bau von Flüssiggas-Terminals und den Ausbau erneuerbarer Energien, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten zu beenden. Bei seiner Pressekonferenz am Donnerstag erwähnte er auch ein Projekt, das gestoppt wurde, aber nun wiederbelebt werden könnte: Die „Midi-Catalonia-Pipeline“ (MidCat), die Spanien und Südfrankreich beim Erdgastransport verbinden soll.

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Wie Scholz weiter ausführte, hat er bereits Gespräche mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, seinen Kollegen in Spanien und Portugal sowie dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geführt, um dem MidCat-Projekt neuen Schwung zu geben. Der Hinweis auf den französischen Staatschef ist insofern von Bedeutung, als das Projekt 2019 –  also bereits während der Amtszeit Macrons –  aufgegeben wurde. Paris verweigerte seinerzeit die politische Unterstützung für den Weiterbau. Frankreich, so lautete dort seinerzeit die Mehrheitsmeinung, brauche auf Grund seiner Versorgung durch die Kernkraft das Gas aus dem Süden nicht.

Konkret geht es um ein Pipeline-Teilstück mit einer Länge von 226 Kilometern, das in Hostalric nördlich von Barcelona beginnen und in der Nähe des südfranzösischen Carcassonne enden würde. Das Problem: Weil die Pipeline über die Pyrenäen verlaufen würde, ist das Projekt teuer. Die Kosten des Baus dürften mehr als 440 Millionen Euro betragen.

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Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges hat sich in Europa das Blatt in der Diskussion um MidCat wieder gewendet. Nicht nur in Deutschland begann die Suche nach Energiequellen jenseits der russischen Versorgung. Auch in Spanien wurden vermehrt Stimmen zur Wiederaufnahme des MidCat-Projekts laut, das über das europäische Pipeline-Netz letztlich den Transport von algerischem Gas über die iberische Halbinsel in den Norden der EU ermöglichen würde.

Allerdings wurden zuletzt –  aus politischen Gründen –  die Gaslieferungen von Algerien nach Spanien gedrosselt. Weil der Madrider Ministerpräsident Pedro Sanchez den algerischen Nachbarn Marokko im Streit um die Westsahara unterstützt, hat Algerien im Juni die Handelsbeziehungen zu Spanien eingefroren. Zwischen August 2021 und Juli 2022 sank der Anteil von Lieferungen aus Algerien an den spanischen Gaseinfuhren von knapp 50 auf 29 Prozent.

Dennoch könnte die MidCat-Pipeline eine wichtige Rolle spielen, um in Spanien ankommendes Flüssiggas aus den USA und Nigeria nach Nordeuropa weiterzutransportieren. Auch die Regierung in Portugal arbeitet seit der russischen Aggression gegen die Ukraine daran, seinen LNG-Terminal in Sines auszubauen.

Spaniens Energieministerin Teresa Ribera unterstützt den Plan, die Pipeline MidCat weiterzubauen.
Spaniens Energieministerin Teresa Ribera unterstützt den Plan, die Pipeline MidCat weiterzubauen.

© Yves Herman/REUTERS

Aus Portugal und Spanien kamen positive Signale nach Scholz' Ankündigung, die Pipeline-Verbindung zwischen Katalonien und dem Südwesten Frankreichs wieder voranbringen zu wollen. Spaniens Umwelt- und Energieministerin Teresa Ribera erklärte am Freitag, dass das 2013 begonnene MidCat-Projekt in weniger als einem Jahr zu Ende geführt werden könne. Ursprünglich war die Bauzeit auf zwei Jahre geschätzt worden.

Zuvor hatte bereits der portugiesische Premierminister Antonio Costa per Twitter erklärt: „Deutschland kann sich zu 100 Prozent auf das Engagement von Portugal beim Bau der Gaspipeline verlassen. Heute für Erdgas, morgen für grünen Wasserstoff.“ Costa warb zudem dafür, den Hafen von Sines in der Zwischenzeit als Logistik-Plattform zu nutzen, um die Verteilung von Flüssiggas in Europa zu beschleunigen.

Der spanische EU-Abgeordnete Nicolas González Casares twitterte, dass der damalige EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete die Pipeline zwischen Spanien und Frankreich 2018 als machbar angesehen habe. „Seltsamerweise“ hätten die spanischen und französischen Regulierungsbehörden das Projekt Anfang 2019 aber als unwirtschaftlich eingestuft, obwohl der Gaspreis seinerzeit niedrig und der „Green Deal“ der EU-Kommission noch nicht auf den Weg gebracht worden war. Die Gas-Pipeline sei ohne Zweifel „ein strategisches Projekt“. Es müsse aber sichergestellt werden, dass die Röhre am Ende zur Dekarbonisierung beitrage, erklärte er weiter.

Spanien setzt auf Finanzierung durch die EU

Spanien pocht allerdings darauf, dass die EU die Finanzierung des MidCat-Teilstücks übernimmt. Zuvor hatte die Regierung in Madrid die LNG-Infrastruktur im Land, die sechs Terminals umfasst, nicht zuletzt mit Subventionen aus Brüssel errichtet. Aus Brüsseler Sicht galt der Ausbau des Pipeline-Systems zwischen Spanien und Frankreich lange Zeit als Priorität. Bis das Projekt 2019 auf Eis gelegt wurde, stand MidCat auf einer Liste vorrangiger Infrastrukturprojekte, mit denen die Diversifizierung bei der Energieversorgung vorangebracht werden soll.

Für die EU steht die Dekarbonisierung im Vordergrund

Die EU möchte  sich von russischer Energie inzwischen mithilfe der Strategie „RePower EU“ unabhängig machen. Die Kommission will dabei bis 2030 fast 300 Milliarden Euro bereitstellen. Die Summe soll zum Großteil aus Krediten und Zuschüssen bestehen, zum Teil steht das Geld noch aus dem 2020 beschlossenen Corona-Hilfsfonds zur Verfügung. Eine Sprecherin der Kommission sagte dem Tagesspiegel, dass es im Sinne der „RePower EU“-Strategie wäre, wenn Spanien und Frankreich so genannte Vorhaben von gemeinsamem Interesse im Energiebereich voranbringen würden. Bei diesen französisch-spanischen Projekten geht es aber nicht ums Gas, sondern um die gemeinsame Stromversorgung.

Wie die Sprecherin weiter erklärte, müssten Investitionen zur Verbindung von LNG-Terminals auf der iberischen Halbinsel mit dem Netz im Norden der EU so gestaltet werden, dass künftig auch Wasserstoff transportiert werden könne. Auf diesen Punkt hatte Scholz bei seiner Pressekonferenz ebenfalls Wert gelegt. Nach der Vorstellung des Kanzlers könnten Leitungen, die heute für den Import von Flüssiggas genutzt werden, künftig für die Einfuhr von Wasserstoff zur Verfügung stehen.

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