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Hamza bin Laden gilt als kommender Mann für die Spitze von Al Qaida.

© dpa/CIA

Al Qaida: Der Kronprinz des Terrors

Al Qaida baut den Sohn von Osama bin Laden zur Führungsfigur auf. Die Propaganda bereitet auch den deutschen Behörden Sorge.

Von Frank Jansen

Er sitzt im festlichen arabischen Gewand auf einem Teppich und lächelt schüchtern. Hamza bin Laden feiert seine Hochzeit und lässt sich filmen. Die Braut erscheint nicht, dennoch ist das Video aufschlussreich. Erstmals ist für die Weltöffentlichkeit der 1989 geborene Sohn von Osama bin Laden, dem Gründer der Terrororganisation Al Qaida, als junger Mann, womöglich schon als Erwachsener zu sehen. Neben ihm sitzt Mohammed Islambouli, hochrangiger Al-Qaida-Kader und Bruder des Mannes, der 1981 in Kairo den ägyptischen Staatschef Muhammad Anwar as Sadat erschoss. So harmlos die Hochzeitsbilder wirken mögen, sie zeigen doch: Al Qaida lebt. Und mit Hamza bin Laden wächst der nächste Terrorpate heran.

CIA veröffentlicht 470 000 Dateien zu Al Qaida

Der Kurzfilm ist eines der interessantesten Fundstücke aus dem Konvolut von 470 000 Dateien zu Al Qaida, die der US-Geheimdienst CIA jetzt freigegeben hat. Das Material hat das Kommando der US-Spezialeinheit Navy Seals erbeutet, das Osama bin Laden am 2. Mai 2011 in seinem Versteck im pakistanischen Abbottabad erschossen hatte. Wann das Video mit Bräutigam Hamza gedreht wurde, ist offen. Al Qaida selbst hat nur Bilder veröffentlicht, auf denen der Sohn als Kind zu sehen ist – offenkundig um die Suche nach Hamza zu erschweren. Für die Amerikaner und den Westen insgesamt ist er eine Figur, die zunehmend gefährlich wird. Und der die Langlebigkeit der Organisation verkörpert.

„Al Qaida ist vital“, sagt Ulf Brüggemann, Terrorismusexperte der in Berlin ansässigen Bundesakademie für Sicherheitspolitik. Der aufwändige Antiterrorkampf nach den verheerenden Anschlägen vom 11. September 2001 habe keinen nachhaltigen Erfolg gebracht. Al Qaida sei heute stärker als damals. Brüggemann wie auch Experten in den deutschen Sicherheitsbehörden prophezeien, Al Qaida könnte jetzt, da die konkurrierende Terrormiliz „Islamischer Staat“ nach schweren militärischen Niederlagen ihr Herrschaftsgebiet weitgehend eingebüßt hat, wieder zur dominierenden Kraft in der internationalen islamistischen Terrorszene aufsteigen.

Al Qaida setzt sich in verschiedene Regionen fest

Brüggemann verweist auf die Doppelstrategie, mit der Al Qaida sein Überleben sichert. Obwohl die Amerikaner Osama bin Laden und zahlreiche weitere Führungsfiguren getötet oder gefangen haben. Al Qaida setze sich in Syrien, Teilen Afrikas, Jemen, Somalia, Afghanistan sowie weiteren Regionen fest, rufe aber auch zu Anschlägen gegen die USA und den Westen überhaupt auf, sagt Brüggemann. Und Hamza bin Laden werde von Al-Qaida-Chef Aiman as Sawahiri als „Kronprinz“ aufgebaut.

Aktuelles Beispiel ist die seit Juli im Internet kursierende, 17. Ausgabe des Magazins „Inspire“. Für das optisch modern gestaltete Propaganda-Organ ist die jemenitische Filiale „Al Qaida in the Arabian Peninsula“ (AQAP) verantwortlich. In der neuen Ausgabe ruft Hamza bin Laden die Anhänger von Al Qaida auf, die „amerikanischen Kreuzritter“, die weiteren „Kreuzritterstaaten der Nato“ und Juden anzugreifen – und Russland, wegen seiner Intervention in Syrien. Hamza bin Laden erwähnt zudem den Angriff auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris. Zu der Tat der Brüder Saif und Chérif Kouachi, die im Januar 2015 elf Menschen töteten, bekannte sich AQAP.

Es folgt im Heft eine „Analyse“ von „Lone Jihad Operations“, darunter der Anschlag vom Juli 2016 in Nizza. Der Attentäter tötete mit einem Lkw 86 Menschen und verletzte mehr als 400. Dass sich der IS zu dem Verbrechen bekannte, stört Al Qaida nicht. Weiterer Themenschwerpunkt im Magazin ist die detaillierte Anleitung zu Anschlägen auf den Bahnverkehr in den USA.

Die deutschen Sicherheitsbehörden befürchten nicht nur wegen der Hasspropaganda, dass Anhänger der Terrororganisation auch in der Bundesrepublik zuschlagen. Die schweren Angriffe der Al-Qaida-Filialen in den afrikanischen Staaten Burkina Faso und Somalia „sind ein Warnzeichen“, sagt ein hochrangiger Experte. Im August hatte ein Trupp in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, ein von Ausländern besuchtes Restaurant attackiert. Mehr als 20 Menschen starben. Somalia wurde noch härter getroffen. Die mit Al Qaida liierte Miliz „Al Shabaab“ verübte im Oktober zwei verheerende Anschläge, fast 400 Menschen wurden getötet. „Die Angriffe könnten auch bei uns Sympathisanten anstacheln, aktiv zu werden“, warnt der Sicherheitsexperte. Und er nennt Zahlen.

Al-Qaida-Anhänger leben auch in Deutschland

Etwa 500 bis 1000 Salafisten in Deutschland seien Anhänger oder zumindest Sympathisanten von Al Qaida. Bekannteste Figur ist ein ehemals linker Terrorist. Bernhard Falk hatte mit einem Kumpan als „Antiimperialistische Zellen“in den 1990er Jahren Sprengstoffanschläge verübt und saß dafür zwölf Jahre in Haft. Heute taucht der zum Islam konvertierte Mann bei Prozessen gegen Salafisten auf und äußert Sympathie für Al Qaida. Den IS lehnt er ab.

Hamza bin Laden hält sich derzeit vermutlich in Pakistan auf. Das Hochzeitsvideo wurde offenbar im Iran gedreht. Das Mullah-Regime, obwohl schiitisch, spiele im Umgang mit der sunnitischen Al Qaida „eine undurchsichtige Rolle“, sagt Ulf Brüggemann. Die CIA sagt sogar, der Iran habe den Terroristen Geld und Waffen in Aussicht gestellt.

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