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Gesicht des Übergangsregimes. Colonel Assimi Goita, Präsidenr des Nationalen Kommittees bei der Feier zum 60. Jahrestag der malischen Unabhängigkeit am 22. September.

© Michele Cattani / AFP

Afrikapolitik: Geduld ist die Mutter der Vernunft

Wie es in Mali nach dem Putsch weitergehen muss. Ein Gastbeitrag.

Christian Klatt ist Repräsentant der Friedrich-Ebert-Stiftung in Mali mit Sitz in Bamako.

Nach dem Putsch vom 18. August 2020 steht Mali ein weiteres Mal am Wendepunkt. Wieviel Zeit braucht es für einen Neuanfang, wieviel Zeit wird man den Putschisten für die Organisation des Übergangs geben und wie kann das internationale Engagement im Land neu gedacht werden?

Der Putsch selbst war eine Sache von weniger als 24 Stunden. Seitdem aber versucht die Militärjunta, das Nationale Komitee zur Rettung des Volkes (Comité national pour le salut du peuple – CSNP) um Assimi Goïta die Übergangszeit zu organisieren. Darauf sind die Soldaten eindeutig weniger gut vorbereitet.

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Sie müssen sich dabei auch den internationalen Partnern stellen, die auf eine schnelle Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen drängen und dafür Sanktionen gegen Mali verhängt haben, unter denen vor allem die Bevölkerung leidet. Das CNSP mag zwar die moralische Autorität für sich beanspruchen, weil die Regierung von Präsident Ibrahim Boubacar Keita, genannt IBK, so offensichtlich den Rückhalt in der Bevölkerung verloren hatte, sie bewegt sich dabei aber auf dünnem Eis.

Kein Verstoß gegen geltende Gesetze

IBK war erst 2018 erneut ins Amt gewählt worden, in Wahlen, die als größtenteils fair eingeschätzt wurden. Weder strebte er zum Zeitpunkt des Putsches eine verfassungswidrige dritte Amtszeit an, noch verstieß er nachweislich gegen geltende Gesetze.

So angebracht die Vorwürfe bezüglich des politischen Nichthandelns, der fehlenden Lösung der Sicherheitskrise sowie bezüglich Korruption und Nepotismus gewesen sein mögen, verlangten diese Verfehlungen eine demokratische oder juristische Lösung. Politische Inkompetenz ist kein legitimer Grund für einen Coup d’État – in Demokratien dienen Wahlen zur Ablösung von Regierungen, mit denen die Bürger und Bügerinnen nicht länger zufrieden sind. Der Putsch wurde zurecht international verurteilt. Und doch spricht einiges dafür, nun nicht auf einen schnellen Übergang zu drängen.

Für den Weg voran bedarf es umfassender Reformen der Verfassung, der Institutionen, des Wahlrechst und der territorialen Struktur des Landes, weg vom Zentralstaat französischer Prägung zu einem dezentraleren System, das die Vielfalt und Größe Malis besser abbilden kann.

18 Monate Übergangszeit sind realistisch

In ersten Konsultationen hat das CNSP dafür Übergangsgremien und einem Tandem aus Präsident und Vize-Präsident vorgeschlagen. Die dafür vorgeschlagenen 18 Monate erscheinen realistisch. Mali wird für diesen Prozess Zeit brauchen, dies wurde inzwischen auch von der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS und dem entsandten Mediator Goodluck Jonathan anerkannt, die allerdings weiterhin einen zivilen Präsidenten fordern.

Denn so wichtig es ist, dass die Putschisten den Weg zu einer demokratisch legitimierten Ordnung frei machen, so wichtig ist es, dass die Übergangsregierung genügend Zeit für einen wirklichen Neustart hat.

2012 war die Reaktion auf den damaligen Putsch ein Weiter so, das heißt, eine Rückkehr zum Status quo ante der demokratischen Ordnung. Doch nicht nur für Mali gibt es nun die Möglichkeit für einen Neuanfang. Das europäische Engagement in Mali und in den Nachbarstaaten unterliegt spätestens seit 2012 dem Primat der Sicherheitspolitik und der Terrorbekämpfung. Dies spiegelt sich auch budgetär wider. Die innenpolitischen Herausforderungen Malis hatten dabei oft keine Priorität, obwohl es weder an Ansätzen noch an Programmen mangelt.

Mangels politischen Drucks auf die malische Regierung, insbesondere die geplante Sicherheitssektorreform und die Gebietsreformen umzusetzen, sind wichtige Chancen verstrichen. Die Putschisten haben die Staatengemeinschaft gebeten, ihr Engagement in Mali fortzusetzen. Denn eine Alternative zur internationalen Kooperation gibt es für Mali nicht. So hat in Berlin und Paris derweil eine Diskussion über eine neue Sahelpolitik begonnen.

Christian Klatt

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