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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

© Michael Kappeler/dpa/Pool/dpa

Absturz einer Regierungspartei: Der dramatische Vertrauensverlust von CDU und CSU

Kleinteilig und widersprüchlich im Pandemie-Management – der Union laufen die Wähler davon. Die SPD ist mitgefangen. Grüne und FDP profitieren.

Es ist ein Absturz – kein Rückgang, keine Delle: CDU und CSU kommen in den Sonntagsfragen der vergangenen Tage zusammen nur noch auf etwa 28 Prozent. Besonders drastisch fällt die Messung am Mittwoch bei Forsa aus, mit einem Fall auf 26 Prozent. Das Institut für Demoskopie Allensbach meldet einen Wert von 28,5 Prozent. Bei Insa waren es vor einigen Tagen 28 Prozent.

Nimmt man einmal an, dass die CSU und Markus Söder etwas stabiler sind als die CDU, dann muss man von einer dramatischen Talfahrt vor allem der Christdemokraten binnen weniger Wochen ausgehen.
Zur Dramatik – und mutmaßlich auch zum Entschuldigungs-Auftritt der Kanzlerin am Mittwoch – hat beigetragen, was Renate Köcher in der „Frankfurter Allgemeinen“ schrieb. Die Chefin des Allensbach-Instituts gilt als eine Stimme, die bei Angela Merkel etwas zählt.

Den Einbruch der Union erklärt Köcher so: Die Unionsparteien hätten das Vertrauen der Bürger „durch eine Kombination aus kleinteiligem und von vielen Widersprüchen gekennzeichnetem Regulierungsanspruch mit gravierenden Mängeln im Operativen verloren“. Das hat Wucht – denn Vertrauensverlust ist gemeinhin das, was zu Wahlniederlagen führt.

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Die Allensbach-Studie basiert auf Daten, die zwischen dem 8. und 21. März erhoben worden sind. Das Ergebnis vom Montag – die Panne um die Osterruhetage, wenn man so will – steckt also noch gar nicht drin.

Insofern dürfte Forsa näher an der Realität liegen, und die CDU vor allem muss fürchten, dass die nächsten Umfragen noch schlechter ausfallen. Auch deshalb wählte Köcher in ihrer Analyse wohl die Formulierung, dass die Unions-Werte „rapide ins Bodenlose“ fielen.

„Politischer Sinneswandel“

Die Erklärung des „politischen Sinneswandels“ unter denen, die bisher angaben, Unions-Wähler zu sein? Laut Köcher hat die Union (und damit die Kanzlerin vorneweg) den Ruf eingebüßt, sie sei die Partei, „die Krise kann“. Also genau das, was Merkel seit Jahren als eines ihrer Markenzeichen gepflegt hat: pragmatisches, konsequentes Reagieren auf Herausforderungen.

Dass sie mit einer relativ harten Linie im vorigen Frühjahr, gepaart mit hohen Summen zur Unterstützung der Wirtschaft, die Ministerpräsidentenkonferenz stets mitgezogen hat, kam allein der Union zugute. Von den mageren Ergebnissen vor der Coronakrise – auch da taumelte die Union schon bei 27 oder 28 Prozent – erholten sich CDU und CSU recht rasch und legten im April 2020 deutlich auf Werte um 38 Prozent zu. Dort blieb die Union bis vor wenigen Wochen.

Köcher erklärt den massiven Einbruch mit den Beschlüssen von Anfang März, die weithin „mit Unverständnis“ quittiert worden seien. Es war jene Lockerungsstrategie, die detailliert, damit aber auch unübersichtlich wirkte. „Viele gaben zu diesem Zeitpunkt den Versuch auf, den Überblick über die staatlichen Maßnahmen und Pläne zu behalten“, sagt Köcher.

Es fehlt der einfache Plan

Den Leuten fehlte offenbar der einfache Plan für die Bewältigung der Krise. Einfach und klar, das war Merkels Linie bis in den Herbst hinein. Bis dahin gab es zwar immer Grummeln in der Länderriege. Aber man folgte nolens volens, weil man sah, dass die Union ja profitierte – der Weg also so ganz falsch nicht sein konnte.

Erst seit den Lockdown-Beschlüssen vom Herbst schlich sich größere Zähigkeit in die Runde ein, immer länger dauerten die Videokonferenzen, bis hin zur stundenlang unterbrochenen Nachtsitzung vom vorigen Montag.

Dazu kommen die gestiegenen Erwartungen, dass durch Impfen vor allem und durch Testen der Anfang vom Ende der Pandemie erreicht ist. Aber auch hier gibt es Enttäuschungen, weil das Erlangen von Impfterminen in manchen Ländern weitaus bürokratischer und umständlicher ist, als es die Bürger erwarten.

Schwarz und Grün - beim Potenzial gleichauf

Vom Absturz der Union profitieren alle anderen Parteien, ohne dass eine jedoch herausragen würde. Nimmt man Allensbach und Forsa zusammen, dann haben am ehesten die Grünen und die FDP daraus Kapital geschlagen. Sie sind nun klar über der Zwanzigprozentmarke.

Köcher hat hier eine Beobachtung gemacht, die aufhorchen lässt: Nur 29 Prozent ziehen überhaupt noch die Wahl von CDU oder CSU in Erwägung, die Attraktivität der Union ist damit auf ihre Kernwählerschaft geschrumpft. Ein Alarmsignal.

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Dagegen liegt das Wählerpotenzial der Grünen weiter um die 30 Prozent. Das konnte die Partei bisher nie ausschöpfen, auch jetzt ist es so. Aber die Stabilität der Grünen ist ein neuartiger Faktor. Die Freien Demokraten legen ebenfalls zu und nähern sich wieder ihrem guten Wahlergebnis von 2017, als sie über zehn Prozent landeten.

Die SPD, als Koalitionspartnerin im Bund und als Teilnehmerin bei den Treffen Merkels mit den Ländern sozusagen doppelt mit im Boot, legt nur ganz leicht zu. Sie ist mitgefangen, aber immerhin nicht mitgehangen. Doch gelingt ihr nicht der langsam nötige Ausbruch aus der Umfrageflaute, um damit einen Trend nach oben zum Wahltag hin inszenieren zu können. Auch AfD und Linke legen nicht so deutlich zu, dass man von echtem Profit reden könnte.

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