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Abgelehnte Asylbewerber werden zum Transport zum Flughafen abgeholt.

© Sebastian Willnow/dpa

Abschiebungen nach Afghanistan: "Joachim Herrmann täuscht beharrlich die Öffentlichkeit"

Erneut werden "Identitätsverweigerer" nach Afghanistan abgeschoben. Bayerns Innenminister Herrmann sagt, es sei leicht, an Dokumente zu kommen. Dem widersprechen der Flüchtlingsrat und die Linke Ulla Jelpke.

14 Männer, deren Asylanträge abgelehnt wurden, 43 Beamte der Bundespolizei, ein Arzt und ein Dolmetscher. Alle zusammen unternahmen am Dienstagabend einen Flug von München nach Kabul. 14 von ihnen bleiben in Afghanistan. Zehn von ihnen werden als Straftäter eingestuft. Es handele sich um schweren Raub, sexuelle Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Diebstahl und Urkundenfälschung, so das Bundesinnenministerium. Ein weiterer Passagier sei „als Gefährder eingeordnet“ worden. Drei Personen mussten als "Identitätsverweigerer" mit auf den Flug.

Besonders bei letzterer Gruppe kommt es immer wieder zu Kritik. Zu den gestrigen Abschiebungen hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gesagt, es sei die Aufgabe des Rechtsstaats, gerade die Abschiebungen dieser Personengruppen mit Nachdruck durchzusetzen. Die Personen seien nicht bereit, die deutsche Rechtsordnung anzuerkennen, eine massive Gefahr für andere Menschen oder würden sich hartnäckig weigern, bei der Klärung ihrer Identität mitzuwirken. "Wir verlangen sicher nichts Unmögliches von den Betroffenen", so Herrmann. "Afghanische Pässe oder ‚Tazkiras‘ können ohne Weiteres von Deutschland aus, beispielsweise über die afghanischen Generalkonsulate, beantragt werden. Die Praxis in den Ausländerbehörden zeigt uns tagtäglich, dass dies funktioniert." Die Tazkira dient afghanischen Staatsangehörigen häufig als Ersatz für eine Geburtsurkunde oder einen Identitätsnachweis.

"Skrupellose Bürokratenlogik"

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken, wiederspricht: Die Ausstellung von Tazkiras sei von der Botschaft erheblich erschwert worden. "Ohne Angehörige, die in Kabul vorsprechen, geht gar nichts. Das könnte auch Herrmann mit einem einfachen Anruf bei der afghanischen Botschaft herausfinden", sagte Jelpke dem Tagesspiegel am Mittwoch. "Wenn Herrmann also den Schutzsuchenden Mitwirkungsverweigerung vorwirft, ist das nicht nur brandgefährliche Augenwischerei. Er entpuppt sich selbst als hartnäckiger Realitätsverweigerer."

Es sei "skrupellose Bürokratenlogik", vermeintliche Identitätsverweigerung mit Abschiebung in Krieg und Terror zu ahnden. Auch eine Einstufung als "Gefährder" beruhe allein auf "Gutdünken der Länderpolizeien". Eine gerichtliche Überprüfung sei in der Praxis kaum möglich. "Das Recht auf Asyl wird so in sein Gegenteil verkehrt."

"Fake-News auf dem Rücken von Flüchtlingen"

Auch der Bayerische Flüchtlingsrat meint, Herrmann täusche beharrlich die Öffentlichkeit. "Als Straftäter gerät man in Bayern schon in die Räder der Abschiebemaschinerie nach einer Verurteilung zu 50 Tagessätzen aufgrund eines Bagatelldelikts. Wer mit einem falschen Pass eingereist ist, wird wegen Urkundenfälschung in der Regel höher bestraft und steht schon mit einem Bein im nächsten Abschiebeflieger", heißt es in einer Pressemitteilung.

Zudem gelte schon als "hartnäckiger Identitätsverweigerer", wer nur einmal einer Aufforderung der Ausländerbehörde nicht nachgekommen ist, selbst wenn die Identität längst geklärt sei und ein Pass vorliege. "Das ist widerwärtiger Wahlkampf für die Regierungspartei CSU mit Fake-News auf dem Rücken von Flüchtlingen", kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.

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