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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Bundestag.

© Michele Tantussi/Reuters

100 Milliarden Euro für die Bundeswehr: Warum die SPD unterschiedliche Signale sendet

Die Gespräche über das Sondervermögen Bundeswehr sind in der Entscheidungsphase. Der SPD-Fraktionschef warnt die Union, die Verteidigungsministerin besänftigt.

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Ist Rolf Mützenich unabgesprochen vorgeprescht? Hat Christine Lambrecht ihn zurückgepfiffen? Wer am Montag die Nachrichten zum Sondervermögen für die Bundeswehr las, der konnte schnell den Eindruck gewinnen, dass in der SPD ein Durcheinander herrscht. Der Nebenhaushalt mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro ist derzeit mehr oder weniger geheime Verhandlungssache zwischen der Ampel-Koalition und der Unions-Fraktion, weil das Sondervermögen im Grundgesetz verankert werden soll, wozu eine Zweidrittelmehrheit nötig ist.

Eigentlich war geplant, eine Einigung in der vergangenen Woche zu erreichen, mit Abstimmung im Bundestag am Freitag. Aber nun ziehen sich die Gespräche hin. Es hänge allein an den Grünen – so der Tenor aus vor allem aus der Union, aber auch von Seiten der SPD und der FDP.

Doch kann man die Äußerung von SPD-Fraktionschef Mützenichs in der „Frankfurter Allgemeinen“ auch so deuten, dass er die Union warnt, es auf den letzten Metern mit Forderungen nicht zu überziehen. Er hatte der Zeitung auf die Frage, ob die Koalition es mit Unions-Fraktionschef Friedrich Merz hinbekomme, gesagt: „Wenn sich Deutschland in einer Notsituation befindet, erlaubt Artikel 115 eine Schuldenaufnahme auch mit einfacher Mehrheit.“

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Mützenich bezog sich damit darauf, dass die in diesem Grundgesetzartikel verankerte Schuldenbremse eine Ausnahmemöglichkeit vorsieht – eben den Notfall. Es gibt Juristen, die der Ansicht sind, das Sondervermögen lasse sich als Folge eines äußeren Schocks interpretieren und falle damit unter die Notfallklausel. Aber es gibt eben auch die Gegenmeinung, die von der Union favorisiert wird.

Mützenich: Keine Drohung

Mützenich wollte seine Aussage zwar nicht als Drohung verstanden wissen. Doch die Verteidigungsministerin, in die Verhandlungen direkt involviert, sah es als geboten an, dem eigenen Fraktionschef zu widersprechen. Sie sieht keinen Anlass für einen Alleingang der Koalition. „Wir sind im Moment in guten Gesprächen, und diese Möglichkeit sollten wir nutzen“, sagte sie in der ARD. Alle zögen mit Blick auf die Bundeswehr an einem Strang. Mit einem Ergebnis rechnet Lambrecht vor der Sommerpause.

Den Alleingang wird es schon wegen der FDP nicht geben. Finanzminister Christian Lindner ließ am Montag schnell verbreiten, es sei „keine Option“, das Sondervermögen mit einfacher Mehrheit zu beschließen. Lindners hartes Nein zur Notfallklausel könnte damit zusammenhängen, dass Mützenichs Vorstoß letztlich als Stärkung der Grünen in den Verhandlungen gedeutet werden kann – und der SPD-Fraktionschef so die interne Gewichtung der Koalition in den Verhandlungen mit der Union verschiebt.

Nur Armee - oder auch Diplomatie?

Tatsächlich gilt Mützenich als einer jener Sozialdemokraten, die sich schwer tun mit dem neuen Bekenntnis der Koalition zur massiven Aufrüstung der Bundeswehr. Während der Kanzler, die FDP und die Union die 100 Milliarden Euro allein für die Rüstung der Streitkräfte einsetzen wollen, verlangte der Fraktionschef im Bundestag auch die Stärkung von Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit. Das ist auch die Position der Grünen, die nun prominente Rückendeckung aus der Kanzlerfraktion bekommen.

Und da es derzeit gar nicht mehr um generelle Fragen, sondern schon um die Details des Kompromisses mit der Union geht, kann man Mützenichs „wir können auch anders“ als klares Signal an Merz und die Union verstehen, dass man in der Ampel insgesamt Grenzen sieht. „Die Union sollte erkennen, dass das Thema zu ernst für taktische Spiele ist“, sagte der SPD-Fraktionschef der FAZ.

Es geht um die Nato-Quote

Ein besonders umstrittener Punkt ist die Verankerung der Nato-Quote, also des Vorhabens, jedes Jahr zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Da hat die Union deutlich andere Vorstellungen als die Koalition, wobei die FDP der Union auch hier am nächsten steht. Klar scheint mittlerweile zu sein, dass dieses Ziel im Grundgesetz nichts zu suchen hat. Aber offenbar möchte Merz weiterhin eine Festlegung an prominenter Stelle.

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen kritisierte Mützenichs Vorstoß. Er sei darüber enttäuscht, „weil er Zweifel am wirklichen Willen der Koalition nährt, mit CDU und CSU zu einer Verständigung zu kommen“, sagte er am Montag in Berlin. Ein Alleingang der Koalition sei falsch, „weil die Situation so ernst ist, dass es diesmal die Mitte im Parlament gemeinsam machen sollte“, fügte er hinzu und forderte, die Koalition müsse „auf Augenhöhe“ mit der Union verhandeln. Nach Röttgens Eindruck verfolgen Kanzleramt und SPD-Bundestagsfraktion in dieser Frage unterschiedliche Ziele. Er sei überzeugt, „dass der Bundeskanzler genauso wenig erfreut ist wie ich über diese Äußerung des SPD-Fraktionschefs“.

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