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Hans-Peter Bartels (SPD), Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages.

© Gregor Fischer/dpa

Update

„Dysfunktionale Strukturen“: Wehrbeauftragter beklagt Zustand der Bundeswehr

Die Bundeswehr steht wegen schleppender Reformen in der Kritik. In seinem Jahresbericht bemängelt Bartels Bürokratie, Personallücken und Mangelwirtschaft.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, beklagt in seinem Jahresbericht die schleppende Modernisierung der Bundeswehr. "Personallücken, materielle Mangelwirtschaft und bürokratische Überorganisation bleiben vielerorts prägend für den Alltag. Da alte Strukturen und Prozesse längst nicht mehr passen, laufen allzu viele Anstrengungen ins Leere", schreibt der SPD-Politiker in seinem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Bericht.

Tausende Stellen bei der Bundeswehr nicht besetzt

Weiter seien mehr als 20.000 Dienstposten oberhalb der Mannschaftsebene nicht besetzt, so Bartels. Zur Materiallage melde das Verteidigungsministerium selbst, es sei "bisher nicht gelungen, die materielle Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme deutlich zu verbessern".

Kummer mache auch das nach wie vor schleppende Beschaffungswesen, schreibt der Wehrbeauftragte. Das liege nicht am Engagement des Bundeswehrpersonals, sondern an "offensichtlich dysfunktional gewordenen Strukturen auf der Amtsseite" - und nicht selten auch an Know-how und Personaldefiziten aufseiten der Industrie. Die Strategie absoluter 'Risiko'-Minimierung im Management großer Rüstungsprojekte kann zur Maximierung des Risikos für die Truppe führen, die dann mit veralteter oder eben keiner Ausrüstung kämpfen muss", kritisiert Bartels.

Um Abhilfe zu schaffen, fordert der Wehrbeauftragte einen Paradigmenwechsel hin zum Kauf von der Stange. "Das heißt, weg vom Grundsatz, dass für deutsches Militär immer alles 'Design' sein muss, weil es sonst nichts taugt, hin zum 'Ikea-Prinzip': aussuchen, bezahlen und mitnehmen!" Das oberste Ende moderner Technik, neue Kampfpanzer oder eine neue Flugabwehr, könne dann immer noch als "Designer"-Lösung beschafft werden.

"Jahre sind vergangen seit dem Start der sogenannten Trendwenden in den Bereichen Material, Personal und Finanzen. Fortschritte bei den Finanzen und auch in Teilen der Infrastruktur sind da, die spürbare Verbesserung vor allem bei Personal und Material ist bisher ausgeblieben", stellt Bartels fest.

Bartels zufolge fehlt der Bundeswehr Klarheit in Zuständigkeiten

Ursachen, Probleme und Lösungsansätze seien allerdings bekannt, so der Wehrbeauftragte. Er verweist auf eine Untersuchung zum Thema "Innere Führung - heute", die als Abschlussbericht vom 1. Februar 2019 intern vorliege, jedoch nur als ein vom Ministerium „ungebilligter Entwurf“.

Beklagt werde darin ein Mangel an Vertrauen, zu viele Querzuständigkeiten und zu hohe Regelungsdichte. "Es fehlten die notwendige Robustheit, Klarheit in den Zuständigkeiten und Durchhaltefähigkeit für militärische Großorganisation", gibt Bartels den Bericht wieder. "Zur Auftragserfüllung müssen daher oft Sonderorganisationen geschaffen werden."

Soldaten des Panzergrenadierbataillon 401 nehmen an der Gefechtsausbildung teil.
Soldaten des Panzergrenadierbataillon 401 nehmen an der Gefechtsausbildung teil.

© Axel Heimken/dpa

Zuvor hatte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, Lücken bei Ausrüstung, Personal und Infrastruktur der Bundeswehr kritisiert. Intern komme es zwar gut an, dass Uniformierte seit Januar kostenlos Bahn fahren dürfen - das sei aber nicht der Kern, sagte Wüstner am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Im Einsatz gehe es um gute Ausbildung und Ausrüstung. "Das ist die kleinste Bundeswehr aller Zeiten vor den größten Herausforderungen."

Bundeswehrverband spricht von "Schneckentempo" bei Reformen

Viele in der Truppe hofften, dass Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) 2020 "die richtigen Weichen stellt und beschleunigt" - damit die zusätzlichen Milliarden aus dem Haushalt auch spürbar ankommen. Angesichts weltweiter Krisen reiche es nicht aus, "wenn wir uns im Schneckentempo bewegen".

Zudem müsse Rechtsextremismus weiter bekämpft werden, sagte Wüstner. Gut 550 Verdachtsfälle soll es laut dem Militärischen Abschirmdienst geben - besonders stark betroffen ist das Kommando Spezialkräfte (KSK). Bei 250.000 Soldaten und Soldatinnen und 20.000 Zu- und Abgängen pro Jahr bewege sich die Zahl indes "im Promillebereich", sagte Wüstner. Trotzdem sei jeder Verdachtsfall einer zu viel. Es sei gut, dass mittlerweile mehr auf Prävention und Bildung gesetzt werde. (dpa, Reuters)

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