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Mode: Ausstellung zur "Sibylle" in Rostock: Sei schön, Genossin!

In der „Sibylle“, dem Modemagazin der DDR, ging es darum, ein neues Frauenbild zu erschaffen. Werktätig, aber auch gut angezogen sollte es sein.

Eine Mutter trägt ihren Sohn auf den Schultern, eine Ärztin untersucht einen Jungen, Mädchen schlendern untergehakt an modernen Plattenbauten vorbei. Das ist sie, unsere Frau! Modern, selbstständig und gut gekleidet. So lacht einem die DDR schon von außen durch die großen Fenster der Rostocker Kunsthalle entgegen. In der Ausstellung „Sibylle“ geht es zum ersten Mal nicht nur um die vielen großartigen Fotografien, die in 39 Jahren in dem DDR-Modemagazin abgedruckt wurden, sondern auch um das, woran sich die Redaktion vor allem abarbeitete: dem neuen Frauenbild in einer sozialistischen Gesellschaft.

Gern wird die „Sibylle“ als „Vogue des Ostens“ bezeichnet. Das mag für die Qualität der Fotografien gelten – für das, was sie abbilden, nicht. Ihre Modedesigner hießen VEB Kombinat Trikotagen Karl-Marx-Stadt, VEB Bekleidungswerk Zwickau oder VEB Damenmäntel Plauen. Trends hießen Tendenzen, wurden vom Modeinstitut der DDR entwickelt und hatten nichts mit dem zu tun, was man in den Geschäften kaufen konnte.

Die porträtierten Stars hießen Katharina Thalbach, Anna Seghers und Jutta Hoffmann. Man sieht schon, das sind andere Vorbilder als im Westen, die da meist ernst und mit klarem Blick in die Kamera schauen. In der Rubrik „Frauen von heute“ werden Werktätige wie die Chemiefacharbeiterin Helga Blüher, 22, vorgestellt, die vom Glück erzählt, ein Frauensonderstudium ihres Betriebs zu absolvieren und Erich Honecker zu begegnen.

In einem Bildband über die Fotografie der „Sibylle“, der 1998 erschien, wird gleich mehrmals betont: 90 Prozent der Frauen waren berufstätig! Also mussten sie auch so gezeigt werden, erst mit den Kohlekumpels im Hintergrund, später selbst mit Helm, Hauptsache an der frischen Luft. Die Fotografen gingen raus auf die Straße, die Frauen waren in Bewegung. Man könnte meinen, der Trenchcoat, oder besser der Staubmantel, sei das wichtigste Kleidungsstück der DDR gewesen. Lustig flatterte er um die Amateurmodels, hauptberuflich gab es sie erst in den 80ern. Ja, die Frauen hatten etwas vor, sie waren im Aufbruch.

Später dann, 1987, in der Fotostrecke „Berliner Straßen“ von Werner Mahler, ist davon nichts mehr zu spüren. Vor dunklen Häuserfassaden sehen „die sommerlichen Hüllen, die großzügig geschnitten sind, damit noch etwas darunter passt“, eher aus wie Flucht- oder Schutzkleidung.

In der Fotostrecke „Trikotagen“ steht eine Frau im großen Pullover mit Rautenmuster vor der nackten Betonwand eines Plattenbaues. Die Arme hat sie um den Leib geschlungen und schaut gedankenverloren aus dem Fenster.

Mode war, genau wie die Models, staatlich geprüft. Es gab einen strengen Rahmen, Kleidung konnten die Moderedakteurinnen sich nicht einfach nach Belieben bei den Firmen bestellen, vorgestellt wurden die „Tendenzen der neuen Mode“, die sich das Modeinstitut der DDR ausgedacht hatte.

Sehnsüchte sollten ja nicht geweckt werden, sondern ein Leitbild gezeigt werden

Es war eine echte Herausforderung für die Redaktion, überhaupt Mode zu zeigen. Sehnsüchte sollten ja nicht geweckt werden, sondern ein Leitbild gezeigt werden, wie es sich in einem Land leben lässt, das anders sein will als das westliche Ausland. Der Absatz von Bekleidung musste ja nicht gefördert werden, im Gegenteil. Mit Schnitten zum Selbermachen versuchten die Redakteurinnen, von Konsumwünschen abzulenken.

Das Ideal konnte auch nicht der Blaumann oder die Kittelschürze sein. Schaut man sich die Bilder an, ist es erstaunlich, wie klassisch, wie gediegen die Mode auf vielen Bildern aussieht. Die Extreme, wie gerade schambedeckende Miniröcke oder ultraweite Schlaghosen, gab es ebenso wenig wie Stonewashed Jeans und große Dauerwellen in den 80ern, die es auch im Osten gab. Stattdessen posierten Models in weißen Badeanzügen im Stil von Helmut Newton für Hans Praefke. Der gute Geschmack hatte gefälligst zu siegen, nicht der Geschmack der Massen.

In den Anfängen, Mitte der 50er Jahre, dominierte noch für kurze Zeit die Nachahmung, Damen in pastellfarbenen Kostümen, erstarrt in gezierten Posen beim Pferderennen in Hoppegarten. Und so diente der Westen, wenn schon nicht als Vorbild, dann als Beispiel, was man nicht wollte. Es gab keine Modebilder mit glänzenden Autokarosserien oder vor Leuchtreklamen, wie man den Kapitalismus in West-Berlin zelebrierte. Erst Anfang der 60er mit einer neuen Generation, frisch von den Kunsthochschulen kommend, schaffte es die „Sibylle“, ihre eigene Bildsprache zu erschaffen, die sie über das Ende der DDR bis ins Jahr 1996 trug.

Am meisten haben sicherlich die Fotografen die „Sibylle“ geprägt, deshalb ist es verständlich, dass sie in der Rostocker Ausstellung mit ihren Arbeiten im Mittelpunkt stehen. Die Qualität der Fotografien ist unübersehbar. Die meisten der Fotografinnen und Fotografen bestimmten selbst die Hängung ihrer Arbeiten, und das erstaunlich unterschiedlich.

Das beginnt mit Arno Fischer, einem der Wichtigsten der 60er, der von sich behauptet, die Puppenposen aus der „Sibylle“ verbannt zu haben und endet mit den romantischen Bildern vor bröckelnden Fassaden von Sven Marquart. Damals war er Punk, heute ist er der bekannteste Türsteher Deutschlands.

- Sibylle, die Ausstellung, bis zum 17. April 2017, Kunsthalle Rostock. Parallel zur Ausstellung ist das Buch „Sibylle, Zeitschrift für Mode und Kultur 1956-1995“, herausgegeben von Ute Mahler, erschienen.

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