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Max Kobosil mag es schwarz.

© 44 label Group

44 Label Group: Mode aus Berlin: Laut in Neukölln

Max Kobosil verließ die Hauptschule mit schlechten Noten, das hat ihn nicht gestoppt. Er war Resident DJ im Berghain, jetzt macht er Mode in Mailand.

Als DJ musste man sich in den vergangenen zwei Jahren mit etwas anderem die Zeit vertreiben als mit Auflegen. So kam Max Kobosil dazu, Mode zu machen. Für den ehemaligen Resident-DJ des Berghain ist daraus ein Beruf geworden. „Ich versuche immer, das Positive herauszuziehen: Hier geht es nicht weiter. Also probiere ich erst einmal, nicht stehen zu bleiben. So habe ich die Corona-Zeit genutzt, um mich auf Design zu konzentrieren.“ Kobosil sitzt um zehn Uhr morgens in Mailand vor seinem Handy und erzählt, wie sein neuer Tagesablauf aussieht. Von Dienstag bis Donnerstag steht er um acht Uhr morgens auf und arbeitet an seiner Marke 44 Label Group, entwickelt mit seinem Grafikdesigner neue Muster und Motive. Am Freitag steigt er in den Flieger und fliegt zu seinen Gigs. Im vergangenen Sommer waren das manchmal sechs Auftritte an einem Wochenende in den besten Clubs von London bis Georgien.

Zum ersten Mal war seine Mode jetzt im Januar in Mailand während der Männermodewoche zu sehen – als rein digitale Schau. Eigentlich sollte sie vor Publikum stattfinden, mit anschließender Aftershow-Party á la Techno. „Natürlich“, sagt Max Kobosil, „das ist meine erste große Liebe.“ Für ihn gehören Clubkultur und Mode schon immer zusammen. „Ich kann mich noch gut erinnern, wie sich meine Schwester damals für irgendeinen Club fertig gemacht hat, genau wie ich.“

Schon als er sich entschied, Technomusik zu machen, unterstützen ihn seine Mutter und seine Schwester. Aber zur Mode haben sie einen viel besseren Zugang: „Bei der pinkfarbenen Steppjacke aus meiner Kollektion hat mich meine Schwester gefragt: Gibt es die auch in klein?“

Für ihn ist unisex selbstverständlich: „In der Technoszene ist es ganz natürlich, in allen Geschlechtern zu denken. Deswegen finde ich es spannend, meine Mode an allen Geschlechtern zu sehen. Für mich gibt es da keine Grenzen.“ Gerade hat er sich selbst eine knallrosafarbene „Bubblegum-Jacke“ gekauft. Das bringt ihn ein bisschen zum Kichern: „Dafür braucht man schon ein wenig Mut.“

Aber den braucht man auch, um sein Abschlusszeugnis der Hauptschule auf ein T-Shirt zu drucken – mit lauter miesen Noten. Was damals eine Katastrophe war, ist heute genau der richtige Stoff, den es zur Legendenbildung braucht. „Als ich das Zeugnis bekommen habe, dachte ich, aus mir wird nichts. Aber Leute, seht her, man muss nicht unbedingt ein Einser-Abi haben, um in Mailand seine Mode zu zeigen. Man muss mutig sein und an sich glauben. Dieses Blatt Papier hat damals die Welt bedeutet. Jetzt ist es nur noch ein Blatt Papier.“

Wie ein rosafarbener Kaugummi leuchtet die Steppjacke von Max Kobosil.
Wie ein rosafarbener Kaugummi leuchtet die Steppjacke von Max Kobosil.

© 44 Label Group

Die Geschichte des Jungen mit miesem Noten, der es in einen der besten Clubs der Welt geschafft hat – das ist die perfekte Grundlage für ein Label, das auf demselben Schauenkalender steht wie Prada und Gucci.
Neben den Clubnächten sind die Straßen von Neukölln die andere Inspiration von Max Kobosil: „Das ist meine Heimat, ein raues Pflaster“, sagt der 30-Jährige. Da ist er aufgewachsen, mit dem Neuköllner Style. Das waren Anfang der 2000er Bomberjacken, Cargohosen, Sportswear von The Northface, Jack Wolfskin, Lederjacken von Cordon Sport, Jeans von Picaldi.

Als Jugendlicher hörte er Deutschrap, aber bei seinem ersten Besuch im Berghain mit 18 Jahren wusste er: Hier möchte ich Künstler und nicht nur Stammgast sein. Vier Jahre später hatte er seine erste Clubnacht. Acht Jahre lang war er Resident-DJ im Berghain, prägte den legendären Ruf des Clubs mit. Seine Musik ist eine Mischung aus Ambient, Noise, Industrial und dem harten Zeug im Techno.

In weiß sieht die Bomberjacke gleich harmloser aus.
In weiß sieht die Bomberjacke gleich harmloser aus.

© 44Label Group

Auch seine Entwürfe sind nichts für zarte Gemüter: Bomberjacken, T-Shirts mit aufgedrucktem Mittelfinger und Hosen mit Camouflagemuster. Mit der weiten, gesteppten Jacke und der dazu passenden Hose ist man für raue Nächte gewappnet. Der Anzug, der sich aus einer weißen Bomberjacke und weißen Hosen zusammensetzt, wirkt dagegen wie die friedliche Tagesvariante. Seine Kollektion ist auf den ersten Blick alles andere als subtil. Aber das ändert sich, wenn man genauer hinschaut. In einen Wollmantel ist ein T-Shirt eingenäht wie eine zweite Haut. Es gibt ein Wende-T-Shirt, die rauere Seite symbolisiert Ost-, die andere Westberlin. „Ich spiele gern mit Gegensätzen, krassen Kontrasten wie hell und dunkel“, sagt Kobosil.

Dabei geht es ihm um den ersten Eindruck und die lange Wirkung. Beides versucht er zu verbinden – auch in seiner Musik. Das Auflegen findet im Hier und Jetzt statt, das Produzieren seiner Musik soll sein Vermächtnis sein. Das passiert jetzt auch bei ihm als Designer. Angefangen hat alles mit ein paar T-Shirts für sein Plattenlabel RLabel. „Die kamen so gut an, darauf waren wir nicht vorbereitet. Wir haben die Stückzahl erhöht, aber irgendwann konnten wir das nicht mehr stemmen.“ Wie der Zufall es wollte, hat Max Kobosil in diesem Moment Claudio Antonioli kennengelernt. Seither ist er unter der Woche Designer und am Wochenende DJ.

Der ausgestreckte Finger als Motiv.
Der ausgestreckte Finger als Motiv.

© 44Label Group

Dass er ausgerechnet in Mailand mit Claudio Antonioli Mode macht, spricht dafür, dass Max Kobosil über ein gutes Gespür verfügt, das es wert ist, dran zu bleiben. Sein Mentor, der nicht nur acht Modegeschäfte in Italien führt, sondern schon Virgil Abloh mit Off White förderte, kümmert sich jetzt darum, dass Produktion und Vertrieb funktionieren und die Mode von Max Kobosil als etwas wahrgenommen wird, das über Fanartikel für Technoliebhaber weit hinausgeht.

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