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Ein Mann geht am offiziellen WM-Logo vorbei.

© Foto: AFP/Odd Andersen

Die Katar-Zwickmühle: Erst kommen der Profit und das Gas, dann die Moral

Tote bei Stadienbauten, Frauenunterdrückung, jetzt Verunglimpfung von Homosexualität als „haram“. Geht alles nicht. Der Fifa ist’s egal, die Politik windet sich.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Seien wir ehrlich: Die Fifa, der weltweit tätige Fußballverband, ist schon viel weiter als die Politik, auch die deutsche. Während sich alle noch in weitschweifigen Erklärungen zur bald im Wüstenstaat Katar beginnenden Weltmeisterschaft der Männer üben, zeigt die Organisation der Ballsportler der Welt, was Kaltschnäuzigkeit ist. Und Realpolitik sowieso. Das Ganze wird durchgezogen, basta.

Die jüngste Empörung ist vor dem Hintergrund auch nur wohlfeil. Da gibt es jetzt diese neue Dokumentation, über die sich alle aufregen, die aber bloß die alte Haltung der Katarer zeigt.

Der Botschafter für die WM, Khalid Salman, äußert sich darin über das, was an „vielen Dingen“ ins Land kommen werde, und meint, er habe vor allem Probleme damit, wenn Kinder Schwule sähen. Denn Schwulsein sei „haram“, verboten, „es ist ein geistiger Schaden“.

Der Emir hat klar gemacht: Er erwartet Respekt

Homosexuelle Handlungen sind in Katar verboten und können mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden. Wer da am Ende den Schaden davonträgt, wird noch zu thematisieren sein.

Und von wegen, dass alle Fans bei der WM „willkommen“ sind. Der Emir des Golfstaats hat es klar gemacht: Sie erwarten Respekt für ihre Kultur. Diskriminierung aber ist Unkultur.

Nun wird es allerdings auch schwierig, wie sich nach dem Besuch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser gezeigt hat. Sie war voller Unwohlsein gereist, hatte daraus nicht nur keinen Hehl gemacht, sondern das lauthals proklamiert. Konnte sich dann von den Katarern anhören, das sei ein gerüttelt Maß an Doppelmoral. Und ganz von der Hand zu weisen ist das ja nicht.

Nancy Faesers skeptische Äußerungen kamen in Katar nicht gut an.

© Foto: dpa/Britta Pedersen

Denn schließlich will Deutschland, in Gestalt von Robert Habeck als Vizekanzler und Wirtschaftsminister, genau jetzt, dass Katar seiner Wirtschaft aus der Gas-Malaise mit den Russen heraushilft. Dafür hat der Grüne diesen Besuch mit artigem Diener beim Emir gemacht.

Und dann soll man trotzdem dazu nicken, dass das mit dem Mangel an Menschenrechten und an Diversität und der verdeckten Terrorunterstützung in Katar so auch nicht gehe. Wo bleibt da die intellektuelle Redlichkeit? Auf der Strecke.

Es ist ja ohnehin fast zynisch, was sich der Weltfußball unter Einschluss der Deutschen leistet. Erstens wird mit der Vergabe dieser Winterspiele in der Hitze Reibach gemacht, und das wird allen teilnehmenden Verbänden gefallen. Zweitens wird die ganze Welt, die eine Fußballwelt ist, zuschauen, egal was ist.

Drittens: Diejenigen, von denen wir, die Deutschen, etwas wollen – sei es Gas –, wollen logischerweise ihrerseits auch etwas dafür.

Die Währung ist Anerkennung. Katar geht es schon auch darum. Dass sich das Land verändert, öffnet zum aufgeklärten Westen hin, ist sicher nicht ganz falsch. Doch die vielen Toten beim Bau der Spielstätten, von ausländischen Arbeitskräften aus dem Sand gestampft, sind nicht einfach so zu vergessen. Mindestens verdrängt werden sie aber.

Allein die wird die Lage im Land beeinflussen und hoffentlich auch verbessern.

Robert Habeck zur politischen Debatte über die WM

Nun kann nicht sein, was nicht mehr sein darf: dass die Weltmeisterschaft auf den letzten Metern noch einmal grundsätzlich infrage gestellt wird. Die Linie ist, wie sie Hansi Flick beschreibt, der Bundestrainer: darauf achten, was während der WM geschieht – und noch mehr, was sich danach ändert, wenn die Welt zu Gast war.

Oder wie es der Grüne Habeck beschreibt, der die politische Debatte um die WM im Emirat lobt: „ Allein die wird die Lage im Land beeinflussen und hoffentlich auch verbessern.“

Hoffnung ist immer gut – und trotzdem beschleicht einen dieses ungute Gefühl, dass es am Ende doch alles zu kaltschnäuzig war. Nacheilend wollen wir mutig werden? Später wollen wir nacharbeiten, was dann nicht mehr zu ändern ist, nämlich der Eindruck: Erst kommen der Profit und das Gas, und dann die Moral? Das kann schlimm werden, schlimm fürs Gemüt. Gibt es noch Schlimmeres?

Na ja, aufs Ganze gesehen und böse gesagt: Deutschland trifft am 23. November im ersten Gruppenspiel auf Japan. Man stelle sich vor, Deutschland verliert.

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