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Zwei Protagonisten in der Debatte über den Islam und Deutschland: Innenminister Friedrich (l.) und Ex-Bundespräsident Wulff.

© dpa

Debatte über Islamstudie: Wozu die Aufregung?

Ob zur neuen Islamstudie, zu Sarrazin oder zur Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört: Unser Kolumnist Harald Martenstein kann die Aufregung nicht begreifen. Denn es geht um einfache Tatsachen.

Ständig wird über den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ debattiert. Der Innenminister Friedrich ist gegen den Satz. Ich kann die Debatte nicht begreifen, mir ist das zu hoch. Da es tausende Deutsche gibt, die muslimischer Religion sind, beschreibt der Satz doch einfach nur eine Tatsache. Oder sollen die alle ausgebürgert werden? Das ist ein Satz von etwa der gleichen Qualität wie: „Der Große Feldberg gehört zum Schwarzwald.“ Da kann doch nicht der Innenminister kommen und sagen: „Ich bin dagegen.“ Na ja – sagen kann er es natürlich, aber es ist sinnlos. Der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ enthält auch keinerlei Wertung. Selbst der größte Islamhasser kann das doch nicht bestreiten. Mir ist jedenfalls noch nie ein Atomkraftgegner untergekommen, der behauptet hätte, die deutschen Atomkraftwerke lägen nicht auf dem deutschen Staatsgebiet, die würden alle zu Frankreich gehören.

Vor 20 Jahren gab es etwas Ähnliches. Die CDU erklärte ununterbrochen: „Deutschland ist kein Einwanderungsland.“ Dann stellte man den Fernseher ab, ging ’runter auf die Straße und sah überall Einwanderer. Man dachte: „Habe ich jetzt Halluzinationen? Oder ist die gesamte CDU auf Droge?“

Auch die Aufregung über die neue Islamstudie begreife ich nicht. In der Studie steht offenbar, was jeder weiß und keiner bestreitet. Es gibt einen gewissen Prozentsatz von Einwanderern, die nicht integriert sind und Probleme verursachen. Die Mehrheit verursacht keine Probleme. Pauschalurteile sind abzulehnen. Das steht da drin. Während der Sarrazin- Aufregung habe ich etwa hundert Talkshows gesehen, in denen Politiker aus allen Parteien, mit und ohne Migrationshintergrund, das Gleiche sagten. Sarrazin sei wegen seines Biologismus abzulehnen, hieß es hundertmal, aber natürlich weise er auf reale Probleme hin, die man nicht verschweigen dürfe, oder tabuisieren. Nur wegen des Tabuisierens sei Sarrazin ja so erfolgreich.

Nun gab es die Mordserie der Neonazis, bei deren Aufklärung der Staat versagt und die Familien der Opfer beleidigt hat. Folgt aus der Tatsache, dass der Staat den Naziterror unterschätzt und Menschen beleidigt hat, als logische Konsequenz, dass es nun plötzlich keinerlei Integrationsprobleme mehr gibt in Deutschland, oder dass man darüber nicht reden darf, und dass man sich diesem Problem erst dann wieder zuwendet, wenn der letzte Nazi-Terrorist gefasst und verurteilt ist? Ist es wirklich politisch unmöglich, oder verwerflich, zwei Probleme gleichzeitig anzugehen, muss man es hintereinander tun? Es sagt doch auch keiner: „Wegen der schwierigen Griechenland- und Finanzkrise wäre es unangemessen, sich jetzt um die Probleme der Rentenversicherung zu kümmern.“

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