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Lorenz Maroldt

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Werde Berlin

Lorenz Maroldt zur neuen Berlin-Kampagne.

Auf der Einladungskarte zur Präsentation der neuen Berlin-Kampagne steht noch der Arbeitstitel: „Stadt des Wandels“. Aber die Online-Seiten der Stadtwerber „Berlin Partner“ sind schon seit einigen Wochen zu erreichen unter dem neuen Claim: „be berlin“, und für diejenigen, denen das chinesisch vorkommt, auch in der germanisierten Fassung: „sei berlin“.

Noch vor der offiziellen Vorstellung von Slogan und Kampagne hat der Senat - selbstverständlich - Spott und Häme für be berlin kassiert, vor allem aus den Reihen der politischen Konkurrenz. Aber mehr als kleinkariertes Genörgel fiel niemandem ein. Manche meinten gar, der Slogan sei in der phonetischen Form - Bi Berlin - eine Anspielung auf sexuelle Freizügigkeit der Stadt.

Tatsächlich ist das, was den Spezialisten hier eingefallen ist, nicht so genial wie etwa der Werbespruch für die große Ausstellung in der Nationalgalerie: „Die schönsten Franzosen kommen aus New York“, das hat drive. Aber im Vergleich zu fast allen anderen Vorschlägen, die für die Berlin-Kampagne gemacht wurden, ist be berlin Spitze.

Eine kleine Erinnerung: Von Berliner Amateuren wurde unter anderem vorgeschlagen: Bärlin zum Knutschen; Berlin: Kreativ und knorke; Berlin: Power ohne Mauer. Von den Profis, also den Agenturen, kam unter anderem: Komm doch her, wenn du was willst; und: Alles außer gewöhnlich. Da haben wir also noch mal Glück gehabt, so alles in allem. Jetzt kommt es auf die Kampagne an - und die muss mehr bringen als nur einen Spruch.

Das Ziel der Kampagne ist ein doppeltes, wie Klaus Wowereit vor einigen Monaten sagte: Mit London und Paris auf eine Ebene zu kommen und eine stärkere Identifikation der Berliner mit ihrer Stadt zu erreichen. Ob das mit diesem Slogan und den dafür bereitstehenden zehn Millionen für die Kampagne zu schaffen ist? Sagen wir es positiv: Das ist eine echte Herausforderung.

Die entscheidende Frage ist allerdings: Stimmt das Produkt? Da gibt es Zweifel, schon wegen des Arbeitstitels. City of Change, Stadt des Wandels: Das stimmt zwar, zeigt aber auch: Das Image Berlins ist ebenso im Wandel und längst nicht so klar, wie es manche gerne hätten. Man weiß eben nicht so genau, was Berlin eigentlich ist, und: Wie viele es davon gibt. In Berlin ist man bereits einmal auf eine Imageselbsttäuschung hereingefallen: Bei der Olympiabewerbung Anfang der neunziger Jahre. Werbefilm und Wirklichkeit klafften zu eklatant auseinander.

Wenn aber das Image so unklar ist, dann ist der Slogan be berlin, sei berlin, erst recht problematisch. Zwar gibt es einerseits die spannende Kultur und Geschichte, auch ist die Stadt liberal und lebendig; Wowereit ist dafür der beste Botschafter. Auch sind Hotels, Restaurants, Wohnungen, Ateliers so günstig wie in keiner anderen westlichen Großstadt, von London und Paris gar nicht zu reden. Aber es geht bei der Kampagne nicht nur um Billigtouristen und mittellose Lebenskünstler. Der Sinn des Ganzen ist eben auch, wirtschaftlich Buhei zu machen. Das aber ist eher schwierig bei mäßigem Wachstum, wenigen Interkontinentalflügen, zäher Verwaltung, fragwürdiger Sicherheit. Auch Schule und Wissenschaft bieten mehr Hoffnung auf’s Werden als Zufriedenheit mit dem Sein.

Auch für die Berliner ist es schwer, sich über den Slogan besser und gemeinsam mit ihrer Stadt zu identifizieren. Es haben eben nicht alle das Glück, sich entscheiden zu können, ob sie sich mit zwanzig Euro ein Süppchen mit Gemüse am Gendarmenmarkt leisten oder eine Woche à la Sarrazin dinieren.

Mir sind der Slogan und die Kampagne allemal egal. Von Berlin bin ich seit langem überzeugt: eine tolle Stadt - auch wenn London und Paris in manchem noch ein bisschen toller sind.

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