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New York: Teilnehmer einer Sitzung des Sicherheitsrats erheben sich für eine Schweigeminute am Sitz der Vereinten Nationen.

© dpa/Seth Wenig

Russlands Vorsitz im UN-Sicherheitsrat: Jetzt braucht es ein entschiedenes Zeichen der Demokratien der Welt

Der Weltsicherheitsrat wird ab Samstag von dem Land geleitet, das die Welt in Unsicherheit stürzt: Russland. Da muss sich was ändern. So schnell wie möglich.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das Weltsicherheitssystem muss reformiert werden, erklärte kürzlich Oleksandra Matviichuk, die ukrainische Friedensnobelpreisträgerin. Und recht hat sie. Die UN, diese weltumspannende Organisation, vor Jahrzehnten geschaffen, um den globalen Frieden aufrechtzuerhalten und die Menschheit vor den Gräueln des Krieges zu schützen, scheitert an ihrer Aufgabe.

Sie stoppt Kriege nicht – sondern bietet stattdessen dem Aggressor noch eine Bühne. So kann es nicht weitergehen. Die Weltgemeinschaft sendet damit das falsche Signal.

Und die Bühne wird dieser Tage noch größer, wenn Russland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernimmt. Das bedeutet, dass Russland – also ein staatlicher Sponsor des Terrorismus – Tagesordnungen festlegen, Debatten eröffnen, Redezeiten begrenzen und selbst das große Wort führen darf. Als hätte der Internationale Strafgerichtshof keinen Haftbefehl gegen den Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Wie absurd ist das denn.

Russland hatte zuletzt im Februar 2022 den Vorsitz im Weltsicherheitsrat inne – und begann einen Krieg gegen die Ukraine. Dann missbrauchte es seine Vetomacht und blockierte UN-Resolutionen gegen den Krieg und seine verheerenden Auswirkungen. Jetzt wird Russland aufs Neue versuchen, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu manipulieren und der freien Welt seinen Willen aufzuzwingen. Es wird die Bühne nutzen, um weiter Desinformation über den Krieg zu verbreiten.

Raus aus dem exklusiven Gremium – das wäre richtig

Mit Russland als Vorsitzendem wird der Bruch des Völkerrechts geradezu legitimiert. Wenn das nicht die Autokraten anderer Länder ermuntert. Und darum Russland muss raus aus dem Vorsitz, am besten ganz raus aus dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Das wäre das richtige Signal.

Ein Rauswurf aus diesem exklusiven Gremium, ob das geht? Die Staatengemeinschaft muss es wollen. Man kann Russland als Mitglied immerhin infrage stellen – mit dem Argument, dass es ja nie wirklich dort hineingewählt wurde. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 beanspruchte Russland diesen Sitz – ohne internationale Gegenwehr – einfach für sich.

Ein zweifelhafter Status. Und einer, der in den Vereinten Nationen nicht unantastbar sein sollte. Die Demokratien in der Staatengemeinschaft sollten einen Weg suchen, den Sicherheitsrat zu reformieren. Er muss der heutigen Vorstellung einer internationalen wertebasierten Ordnung entsprechen. Ein Diktator, der einen Krieg anzettelt und brutal Großmachtphantasien auslebt, passt dazu nicht.

Zugegeben, Abhilfe ist schwierig. Kurzfristig gilt es deshalb, den russischen Vorsitz mit allen Mitteln einzuhegen. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass Russland diese Präsidentschaft zumindest dann ruhen lässt, wenn der Krieg in der Ukraine und benachbarte Themen behandelt werden. Denn es ist immer davon auszugehen, dass Russland im Sicherheitsrat sein Veto einlegt und damit die Verabschiedung von Resolutionen verhindert. Wobei Russland kaum mitspielen wird.

Gibt es eine Alternative? Immer wenn es um den Überfall auf die Ukraine geht, sollte eine Abstimmung in der Vollversammlung herbeigeführt werden, also unter allen 193 UN-Mitgliedstaaten. Das können entweder sieben der 15 Mitglieder des Sicherheitsrats oder die Mehrheit aller Mitglieder beantragen.

Und was kann längerfristig getan werden? Die Gemeinschaft der Demokratien muss rechtlich jeden Versuch unternehmen, Russland unter autokratischer Führung aus dem Sicherheitsrat auszuschließen. Das Land handelt schließlich gegen den Weltfrieden und gegen seine Verpflichtungen als ständiges Mitglied dieses Gremiums.

Der Weltsicherheitsrat ist über den Ukrainekrieg in eine existentielle Krise geraten. Aus dieser muss er mit vereinten Kräften herausgeführt werden. Es müssen sich möglichst viele Partner zusammenfinden, die das System globaler Sicherheit reformieren wollen. Eine Aufgabe nicht zuletzt für die deutsche Außenpolitik – wo Deutschland doch international mehr Verantwortung übernehmen will, auch und gerade im Weltsicherheitsrat.

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