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Hochwasser ist eine Folge des Klimawandels: Uns hilft keine Arche

Die Politik denkt: Wenn die Deiche hoch genug sind, kann uns der Klimawandel nichts anhaben. Doch das ist falsch. Wir müssen dringend mehr gegen den Klimawandel tun.

Der Kampf des Menschen gegen die Sintflut ist so alt wie seine Kulturgeschichte. Das Gilgamesch-Epos, eine der frühesten schriftlichen Überlieferungen, liest sich wie ein aktueller Bericht aus dem bayerischen Passau oder sächsischen Grimma: „Einen Tag lang wehte der Südsturm, eilte dreinzublasen und die Berge ins Wasser zu tauchen, wie ein Kampf zu überkommen die Menschen. Nicht sieht einer den andern, nicht erkennbar sind die Menschen im Regen … Sechs Tage und sieben Nächte gehen weiter der Wind und die Sintflut.“

Heute, 44 Jahrhunderte später, heißen Sintfluten „Jahrhunderthochwasser“ und statt Archen bauen wir „Hochwasserschutzanlagen“. Und wie damals stellt sich der Mensch die bange Frage, ob er für die Katastrophen eine Mitschuld trägt.

Dass sich die Atmosphäre als Folge der zivilisatorischen Treibhausgase erwärmt, steht mittlerweile außer Zweifel. Klar ist auch, dass dadurch die Meeresspiegel steigen, die Gletscher schmelzen und extreme Wetterereignisse zunehmen. Doch sind die Wirbelstürme, Hitzewellen und Hochwasser der vergangenen Jahre bereits Folgen des Klimawandels?

Bei den Hitzewellen ist die Frage am leichtesten zu beantworten, da Temperaturen historisch gut dokumentiert sind und in örtlichem sowie zeitlichem Zusammenhang stehen: Wenn es in Berlin in Spandau besonders heiß ist, werden auch in Köpenick hohe Temperaturen gemessen; vor einem extrem heißen Tag steigt die Temperatur, danach fällt sie wieder. Dadurch werden Messfehler statistisch ausgeglichen. Zuverlässige Untersuchungen zeigen, dass sich die Häufigkeit besonders heißer Tage in Europa seit Beginn der Industrialisierung verdreifacht hat. Die Frequenz, Intensität und Dauer von Hitzewellen stieg seit den 1960er Jahren sogar auf mehr als das Fünffache.

Historische Niederschlagsmengen sind dagegen nur mit großen Unsicherheiten zu bestimmen. Manchmal schüttet es an einem Ort aus Eimern und wenige Kilometer weiter bleibt es trocken. Zudem lassen sich Regen- und Schneemengen pro Fläche und Zeit erst seit Einführung elektronischer Geräte exakt messen. Allerdings gibt es einen physikalischen Zusammenhang zwischen Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlagsmenge: Weil warme Luft mehr Wasser aufnimmt als kalte, führt die globale Erwärmung zu vermehrten Niederschlägen.

Tatsächlich hat die Luftfeuchtigkeit über den Ozeanen seit den 1970er Jahren um vier Prozent zugenommen. Das korreliert genau mit der in diesem Zeitraum beobachteten Zunahme der Niederschläge in Nordamerika, Eurasien und Australien. Wenn die feuchtwarme Luft der Ozeane in großer Höhe über das Festland zieht und auf kältere Luftmassen am Boden trifft, bildet sich Regen oder Schnee. Auch der deutsche Dauerregen der vergangenen Wochen ist so entstanden.

Dass in Mitteleuropa die Sommer heißer und die anderen Jahreszeiten regnerischer werden, ist also bereits eine Folge des menschengemachten Klimawandels. Doch just während unter Klimaforschern diese Vermutung zur Gewissheit wurde, verabschiedete sich die Weltpolitik von den Zielen des Kyotoprotokolls. In der Wirtschaftskrise sind langfristige Investitionen zur Rettung des Klimas nicht mehr durchzusetzen. Selbst das bescheidene Zwei- Grad-Ziel der Klimakonferenz von Cancún im Jahr 2010 wurde inzwischen sang- und klanglos beerdigt.

Stattdessen setzt die Politik jetzt auf „Anpassung“: Wenn die Deiche hoch genug sind, so der Grundgedanke, kann uns der Klimawandel nichts anhaben. Die Wirtschaft freut es, weil mit Baumaßnahmen gegen Hochwasser und Stürme, Klimaanlagen gegen die Hitze und wetterfester Infrastruktur schnelles Geld zu verdienen ist.

Dabei steht längst fest, dass die Anpassung an die Folgen des Klimawandels langfristig ein Vielfaches der Klimarettung kosten wird. Zudem beschleunigt der neue Industriezweig seinerseits die Erderwärmung. Da deren Folgen im Einzelnen nicht vorhersehbar sind, ist ein zuverlässiger Schutz ohnehin unmöglich. Die modernen Deichanlagen in Passau waren für Pegel bis elf Meter ausgelegt, das Wasser stieg jedoch eineinhalb Meter höher. Dass die Menschheit sich an den Klimawandel anpassen könnte, ist eine Illusion – genau wie die uralte Geschichte von der Arche.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

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