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Daniel Bahr hat der Versicherungsbranche ein neues Großgeschäft beschert. Doch bessere Pflege bekommen die Versicherten durch den "Pflege-Bahr" nicht.

© dapd

Private Vorsorge: Steuermillionen für "Pflege-Bahr" fließen in falsche Richtung

Das Ziel, die Menschen zu mehr Vorsorge zu bewegen, ist richtig. Doch so wie die Förderung konstruiert ist, hilft sie weder der Pflege noch denen, die sie benötigen. Die Steuermillionen verhelfen den Versicherungskonzernen zu neuem Profit - und subventionieren die Betuchten.

Nicht einmal in der Versicherungswirtschaft will richtig Freude aufkommen. Dabei, möchte man meinen, müssten dort jetzt die Sektkorken knallen. Schließlich hat der Gesundheitsminister der Branche zu einem Zeitpunkt, wo der Riester-Renten-Markt gesättigt ist, ein neues Großgeschäft mit der Pflege beschert. Doch jeden nehmen und zu den gleichen Bedingungen versichern müssen, egal, wie er beieinander ist: Wo gibt’s denn so was bei den Privaten?

Das Gemäkel der Profiteure macht die Sache für die anderen nicht besser. Fünf Euro pro Monat, so hat es das Kabinett am Mittwoch beschlossen, gibt es künftig für jeden, der sein Pflegerisiko zusätzlich und aus eigener Tasche über eine Tagegeld-Police absichert. Viel ist das nicht. Aber, so argumentieren die Regierenden, es ist ein Anfang. Und ein Anreiz, auch privat für den Fall des Falles vorzusorgen. Schließlich steigt die Zahl der Pflegebedürftigen so beängstigend, wie die Zahl der Beitragszahler sinkt. Und die soziale Pflegeversicherung ist sowieso nur Teilkasko, sie kann nicht alles wuppen.

Betreuungsgeld für die privat betreuten Kleinen, Zuschuss für die private Altersvorsorge. Das Signal der schwarz-gelben Koalition lautet: Der Staat hilft uns, wenn wir uns selber helfen. Von der Wiege bis zum Bahr. Und der Deutsche ist diesbezüglich ja verlässlich gestrickt, wie wir seit Riester-Rente und Abwrackprämie wissen: Wenn es irgendwo einen Zuschuss gibt, nimmt er ihn mit. Warum nicht auch bei der Pflege-Vorsorge?

Dagegen spricht mehreres. Wer verlässlich absichern will, was die gesetzliche Pflegeversicherung nicht bezahlt, muss richtig Geld auf den Tisch legen. Rund 300 Euro jährlich mit 35, gut 400 als Mittvierziger – die verordneten Unisex-Tarife zugrunde gelegt. Für noch Ältere lohnt sich Pflegevorsorge sowieso kaum mehr. Wer wenig hat und im Alltag schon jetzt kaum über die Runden kommt, kann sich solche Zusatzposten kaum leisten. Der Zuschuss ändert daran nichts, er ist viel zu gering. Die Folge: Ausgerechnet diejenigen, die staatliche Hilfe bräuchten, werden sie nicht erhalten.

Hinzu kommt, dass es sich nicht rechnet. Die 60 Euro im Jahr verursachen Verwaltungskosten, die in keinem Verhältnis zur Fördersumme stehen. Und weil auch Menschen mit hohem Pflegerisiko nicht aussortiert werden sollen, werden die Versicherer natürlich, siehe oben, einen satten Prämienaufschlag verlangen. Für alle. Der Zuschuss, der uns zur Privatvorsorge verleiten und auch verhelfen soll, wird zum Gutteil von seinen eigenen Nebenwirkungen aufgefressen.

Und wofür das Ganze? Gesamtgesellschaftlich ist das klar, die öffentlichen Kassen sollen entlastet werden. Doch für den Einzelnen, der das Geld lockermachen soll, keineswegs. Geförderte Pflegevorsorge ist etwas ganz anderes als Riestern. Keine Sparbüchse, sondern reine Risikoversicherung. Man bekommt nur etwas raus, wenn man das wird, was man niemals werden möchte: ein Pflegefall. Das ist weniger motivierend als das Versprechen, als rüstiger Rentner mehr Geld zu haben. Mit dem Pflege-Bahr entlastet man nur andere. Die Kinder und Enkel, denen man vom eigenen Vermögen mehr hinterlassen kann. Und die Kommunen, die einspringen müssen, wenn dieses Vermögen nicht da ist. Bessere Pflege, die nottäte, bekommt man durch die geförderten Tagegeld-Versicherungen nicht.

Das Ziel, die Menschen zu mehr Vorsorge zu bewegen, ist richtig. Doch so wie die Förderung konstruiert ist, hilft sie weder der Pflege noch denen, die sie benötigen. Die Steuermillionen fließen in die falsche Richtung. Sie verhelfen den Versicherungskonzernen zu neuem Profit. Und subventionieren die Betuchten, die im Pflegefall ihr Vermögen nicht mehr aufzuzehren brauchen. Die geförderte Zusatzvorsorge ist nichts anderes als eine Erbenschutzversicherung.

Insofern haben die Sozialverbände recht. Die 100 Millionen Euro, die der Staat nun springen lässt, wären in der sozialen Pflegeversicherung besser investiert. Politisch stellt sich ohnehin die Frage, warum der Zuschuss nicht vom Einkommen abhängig gemacht wird. Schließlich finanzieren ihn alle Steuerzahler – und zwar auch dann, wenn sie sich die Policen selber gar nicht leisten können.

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