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Die Sterbehilfe bleibt vorerst ungeregelt.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Sterbehilfe bleibt ungeregelt: Die Menschen müssen bestimmen dürfen, wie es weitergeht

Im Bundestag sind zwei Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe gescheitert. Doch es spricht viel dafür, dass die Politik den Zugang zu tödlichen Medikamenten absehbar erleichtern muss.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Keine Entscheidung kann eine gute Entscheidung sein. Der Bundestag hat es am Donnerstag abgelehnt, seit Jahren umstrittene Regelungen zur Sterbehilfe zu verabschieden. Zwei Entwürfe blieben ohne Mehrheit, es überwog Skepsis. Auch das ist Demokratie.

Es ist ein bewegendes Thema und es gab – wieder – eine bewegende Debatte. Alle Redner, einschließlich jener der AfD, zeigten Herz und Verstand. Keine Parteitaktik, keine Missgunst, kein Opportunismus; eine angenehme parlamentarische Erfahrung.

Das Thema ist ernst und groß. Es geht um Willensfreiheit, Schicksal und menschliche Verantwortung. Die Gesetzentwürfe sind gescheitert, der Bundestag ist es nicht.

Der eine Entwurf hätte Hilfe beim Suizid wieder unter Strafe gestellt. So wie es schon einmal war, ehe das Bundesverfassungsgericht das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe wegen Verstoßes gegen die grundgesetzlich geschützte Selbstbestimmung für nichtig erklärte.

Der Umgang mit Alter und Tod verändert sich. Der Staat spielt hier eine wichtige Rolle. Aber er bestimmt nicht, wie es weitergeht. 

Jost Müller-Neuhof

Es wäre, im Namen der Suizidprävention, trotz vorgesehener Ausnahmetatbestände eine Art Rückfall geworden. Es fehlt der Respekt vor dem – menschenmöglichen – Willen, den eigenen Tod zu wählen.

Der andere Entwurf mündet in ein flächendeckendes Konzept staatlich überwachter Selbsttötungsbürokratie. Er setzt zwar den richtigen Akzent – den auf die Autonomie des Individuums –, kann aber nur funktionieren, wenn ein solches Konzept in Staat und Gesellschaft breit akzeptiert wäre.

Zu viele fürchten, dass der Druck auf Kranke, Einsame und Depressive steigt

Das ist es nicht. Viele, zu viele, sehen darin den Einstieg in das niederländische Modell und fürchten steigenden Druck gerade auf Kranke, Einsame und Depressive, ihre Existenz als überflüssig zu erachten. Das ist nachvollziehbar und hat keineswegs nur mit christlich-konservativ grundierten Selbsttötungstabus zu tun.

Offenbar braucht es noch Zeit. Dass es vereinzelt immer noch Strafverfahren gegen Sterbehelfer gibt, zeigt, dass sich der Staat hier nicht zurückziehen kann und Schutz vor Missbrauch garantiert; dass umgekehrt Sterbehilfevereine ihre Mittel anbieten dürfen, erweist, dass es benötigte Freiheiten gibt. Es sind keine rechtsfreien Räume zu erkennen, die dringend mit Regelungen zu befüllen wären.

Es spricht viel dafür, dass sich die Politik weiter mit dem Thema befassen und den Zugang zu tödlichen Medikamenten absehbar erleichtern muss. Der Umgang mit Alter und Tod verändert sich. Der Staat spielt hier eine wichtige Rolle. Aber er bestimmt nicht, wie es weitergeht. Das machen die Menschen. Die höchstpersönlichen Wege, die sie wählen, wird dann irgendwann auch der Bundestag finden.

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