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Die Zeit könnte kommen, zu der die Stärken Peer Steinbrücks ausgespielt werden können.

© dpa

SPD: Steinbrücks Chance wird kommen

In seinen ersten Wochen als Kanzlerkandidat hat Peer Steinbrück Fehler gemacht und Schwächen offenbart. Doch nichts wäre fataler, als wenn die Genossen jetzt die Nerven verlören. Im Frühjahr könnte sich das Koordinatensystem des Wahlkampfes grundlegend ändern und Steinbrücks Stärken zum Zuge kommen.

Es war kein guter Start für den Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Vor sechs Wochen wurde er von der SPD-Troika überhastet nominiert, nachdem das Magazin Cicero gemeldet hatte, die Entscheidung sei intern bereits gefallen. Bei der Präsentation des Kandidaten erweckte die SPD-Spitze dann den peinlichen Eindruck, sie schicke nicht ihren Besten ins Rennen, sondern nur den Übriggebliebenen.

Seitdem muss sich der Merkel-Herausforderer vor allem für seine Nebeneinkünfte in Millionenhöhe rechtfertigen. Vor allem ein 25.000 Euro-Honorar der Stadtwerke Bochum, das ein wenig nach sozialdemokratischem Filz riecht, erzürnt viele SPD-Anhänger. Steinbrücks Sympathie beim Wähler hat gelitten, in Umfragen fiel er deutlich hinter Merkel zurück. Der mögliche Koalitionspartner Grüne ging unübersehbar auf Distanz, öffnete sich eine schwarz-grüne Hintertür. Auch die ersten Genossen beschleichen mittlerweile Zweifel an der Personalentscheidung. Schon wird in Berlin geunkt, Peer Steinbrück könne der erste Kanzlerkandidat in der Geschichte der Bundesrepublik werden, der den Wahltag nicht erreicht.

Tatsächlich hat Steinbrück in den vergangenen Wochen einiges falsch gemacht. Zaudernd und missmutig hat er auf die Kritik an seinen Nebeneinkünften regiert. Zwar hat er eine vollständige Offenlegung seiner Nebeneinkünfte versprochen, aber dann die Informationen doch nur scheibchenweise preisgegeben und so immer wieder Anlass für Spekulationen und Nachfragen gegeben. Statt Demut zu zeigen, hat er Journalisten beschimpft. Schließlich hat er zumindest bezüglich des Auftritts bei den Bochumer Stadtwerken einen Fehler eingestanden und das Honorar für gemeinnützige Zwecke gespendet.

Auch die ersten beiden Auftritte im Bundestag machten deutlich, dass der Kanzlerkandidat Steinbrück noch nicht mit seinen politischen und persönlichen Stärken zum Zuge gekommen ist. In Sachen Europa musste der SPD-Kanzlerkandidat der Bundeskanzlerin und ihrem Euro-Krisenmanagement im Wesentlichen beipflichten. Seine Kritik an der schwarz-gelben Bundesregierung in Sachen Betreuungsgeld (schwachsinnig) klang wenig souverän. Sozialdemokratisches Selbstbewusstsein und sozialdemokratische Siegesgewissheit sehen anders aus. Kein Wunder, dass viele Sozialdemokraten nicht so recht an den Wahlsieg glauben und manche sich schon in der Rolle des Juniorpartners der Großen Koalition einrichten.

Schneller und vor allem schneller als erwartet hat sich den Genossen offenbart, ihr Kanzlerkandidat hat nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen. Steinbrücks Dilemma ist es, er ist kein Mann für die politische Defensive. Demut ist nicht seine Stärke. Steinbrück liebt nicht die leisen Töne, sondern die lauten. Er ist ein anpackender Krisenmanager, aber nicht der beste Moderator. Ein Intellektueller, aber kein Kümmerer. Solange das Ansehen der Kanzlerin jedoch nicht unter dem Dauerstreit in der Regierung leidet, kann er zwar Schwarz-Gelb kritisieren, aber er kann Angela Merkel nicht stellen. Solange es keine Wechselstimmung gibt, kann er nicht zur Attacke blasen.

Hinzu kommt, dass die SPD-Wähler bislang keine wirkliche Vorstellung davon haben, was sie von einer SPD-geführten Bundesregierung erwarten können. Irgendwie ist die SPD für Steuererhöhungen, irgendwie auch für mehr Gerechtigkeit, natürlich gegen das Betreuungsgeld. In Sachen Mindestlohn und Rente ist die Union mittlerweile weit nach links gerückt, sodass der SPD wenig Platz zur eigenen Profilierung bleibt. In Sachen Eurokrise hingegen würde ein Kanzler Steinbrück vieles genauso machen wie Merkel und weniges besser.

Doch der Bundestagswahlkampf dauert noch zehneinhalb Monate, er birgt noch viele Unwägbarkeiten, die politische Stimmung im Lande ist sehr volatil, ziemlich viele Wähler sind noch unentschieden. Bis zum September 2013 kann noch einiges passieren. Wenn Schwarz-Gelb im Januar die Landtagswahl in Niedersachsen verliert, wenn sich im kommenden Frühjahr die Konjunkturaussichten trüben und die Arbeitslosigkeit steigt, wenn sich die Eurokrise wieder zuspitzt oder wenn im Nahen Osten ein Krieg zwischen Israel und dem Iran droht, dann kann sich das politische Koordinatensystem des Wahlkampfes schnell und grundlegend ändern.

Vieles spricht dafür, dass Steinbrücks Chance noch kommt. Er muss jetzt also vor allem Geduld haben. Bis zum Frühjahr muss die SPD ihre politischen Hausaufgaben machen, ihr programmatisches Profil stärken und hinter dem Kanzlerkandidaten ein schlagkräftiges Team formieren. Nur ist Geduld weder eine Stärke des Kandidaten noch der Genossen insgesamt.

Nichts hingegen wäre für die Sozialdemokraten fataler, als wenn sie jetzt die Nerven verlören, an ihrem Kandidaten zweifelten und schleichend eine Personaldebatte begönnen. Die Stärken des Kandidaten sind schließlich nicht über Nacht verschwunden, die Analyse aus dem Sommer, dass die SPD mit Steinbrück im Vergleich zu Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier im Wahlkampf die besten Chance habe und die wahlentscheidenden Wechselwähler besser erreichen könne, ist weiterhin richtig.

Natürlich ist es für die SPD in den vergangenen Wochen nicht einfacher geworden, die Bundestagswahl 2013 zu gewinnen, aber erstens wussten die Genossen von Anfang an, dass es nicht leicht werden würde, Merkel zu schlagen. Zweitens hat der Wahlkampf gerade erst begonnen und es wird noch Gelegenheit geben, die Stärken des Kandidaten Steinbrück auszuspielen.

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