zum Hauptinhalt
Pedro Sanchez (l.), Ministerpräsident von Spanien, mit Abdelhak Lamrini, Historiker des Königreichs Marokko und Sprecher des Königspalastes, und Khalid Ait Taleb, Minister für Gesundheit und sozialen Schutz von Marokko, beim Besuch des Mausoleums von Mohamed V. in Rabat.

© Europa Press/dpa

Spanien und Marokko sind wieder beste Freunde: „Manchmal muss man Kröten schlucken“

Spaniens Premier Sanchez hat Marokkos Anspruch auf die Westsahara anerkannt – und will beim Besuch in Rabat die Früchte dafür ernten. Damit hat er einen Keil in die EU getrieben.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Die „Aussöhnung“ zwischen Spanien und seinem südlichen Nachbarn Marokko ist teuer erkauft und treibt einen Keil zwischen die EU-Partner: Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez wird nach einer Eiszeit mitsamt seiner Ministerriege herzlich in Rabat empfangen, weil Sanchez im Konflikt um die umstrittene Westsahara vor knapp einem Jahr überraschend auf Marokkos Linie eingeschwenkt war. Vom „Mut zum historischen Realismus“ schwärmt der marokkanische Premier.

Spanien und Europa brauchen Marokko, um Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika und aus dem eigenen Land von der Überfahrt nach Europa abzuhalten. Diese Karte spielt Rabat erbarmungslos aus: Als Druckmittel werden gerne die beiden spanischen Enklaven in Spanien eingesetzt, Ceuta und Melilla.

Dort haben es die marokkanischen Sicherheitskräfte in der Hand, Massenanstürme auf den Grenzzaun zu Europa zuzulassen oder nicht. Als Belohnung für das Einschwenken auf die Linie Marokkos sind seit etwa einem Jahr 30 Prozent weniger Flüchtlinge auf den Kanarischen Inseln und 21 Prozent weniger auf dem Festland angekommen.

Spanische EU-Abgeordnete stimmen nicht für Verurteilung Marokkos

Mehr aber auch nicht: Weder die von Madrid gewünschte Aufnahme der spanischen Enklaven in die EU-Zollunion noch die Abgrenzung der Territorialgewässer um die Kanarischen Inseln werden bei diesem Besuch angesprochen.

Und der Preis, den Spanien bezahlt, ist hoch: Nicht nur sind die Koalitionspartner von Sanchez verärgert, weil sie bei der Abkehr der bis dahin neutralen Position Spaniens im Westsahara-Konflikt nicht konsultiert worden waren. Der langjährige spanische Energielieferant Algerien, der die Unabhängigkeitsbewegung der Sahraouis unterstützt, hat seine Lieferungen eingestellt.

Und spanische EU-Abgeordnete müssen sich neuerdings verbiegen: Als das EU-Parlament am 19. Januar erstmals seit Jahrzehnten eine kritische Marokko-Resolution wegen der“ kontinuierlichen Verschlechterung“ der Pressefreiheit beschloss, enthielten sich die sozialistischen spanischen Abgeordneten.

„Wenn es nötig ist, muss man Kröten schlucken“, kommentiert der sozialistische Abgeordnete Juan Lopez Aguilar. Nach den Enthüllungen über die kriminelle marokkanische Einflussnahme auf Brüsseler Akteure im Marokko-Gate ist das umso bitterer.

Die neue spanische „Appeasement“-Politik gegenüber Marokko ist aber auch ein Problem für die EU: Andere Staaten, darunter Frankreich und Deutschland, halten sich noch immer an das Völkerrecht und erkennen Marokkos Anspruch auf die Westsahara als „Provinz des Südens“ mit eventueller Autonomie nicht an. Deshalb bricht Marokko regelmäßig beleidigt die Zusammenarbeit ab.

Flüchtlinge überwinden den Grenzzaun zwischen Marokko und der spanischen Enklave Melilla.
Flüchtlinge überwinden den Grenzzaun zwischen Marokko und der spanischen Enklave Melilla.

© F.G. GUERRERO/dpa

So wurde im Mai 2021 auch die Botschafterin aus Deutschland abgezogen. Außenministerin Annalena Baerbock konnte die Wogen kurz nach ihrem Amtsantritt im Januar 2022 erst einmal glätten, indem sie die Marokko-Basisinformationen auf der Webseite des Auswärtigen Amtes um den Zusatz ergänzen ließ, Deutschland sehe im marokkanischen „Autonomieplan“ einen „wichtigen Beitrag“ zu einer Lösung. 

Die Frage ist, wie lange Frankreich und Deutschland das durchhalten werden. Denn Marokko wird den Druck aufrechterhalten – und es fühlt sich im Aufwind, seit die USA unter Präsident Trump Marokkos Anspruch auf das Gebiet anerkannten im Gegenzug gegen die Anerkennung Israels durch Marokko.

Spaniens Premier hat jetzt der Erpressung nachgegeben. Damit hat das Königreich einen Keil in die EU getrieben. Und kann jetzt europäische Länder gegeneinander ausspielen. Gegen diese robuste Außenpolitik wirkt die EU machtlos.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false