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Die Koalition schafft mit ihrer Reform eine Zweiklassengesellschaft bei der Rente.

© dpa

Bei der Rentenreform pfuscht die Koalition: Sie können's auch nicht richtig

Die Rentenreform zeigt, dass auch große Parteien handwerkliche Fehler machen können. Das Konzept von Union und SPD ist unausgegoren - deshalb sollte die Koalition am besten noch einmal von vorne anfangen.

Die große Koalition war angetreten als ein Bündnis von Könnern. Auf der einen Seite die geborenen Staatsparteien CDU und CSU. Auf der anderen Seite die SPD, über die Fraktionschef Thomas Oppermann vor einigen Tagen sagte: „Der Mitgliederentscheid hat uns gezeigt: Die SPD ist in Wahrheit eine Regierungspartei.“ Die organisatorische Schmach, die mit Schwarz-Gelb verbunden wird, sollte sich nicht wiederholen.

An diesem Mittwoch wird das Kabinett nun erstmals über die Rentenreform beraten. Man kann sie als das Herzstück der Regierung Merkel/Gabriel bezeichnen. Die SPD hatte es sich zum Ziel gesetzt, die schlimmsten Folgen der von ihr veranlassten Rente mit 67 abzumildern. Die Union wiederum hatte die Mütterrente für essenziell erklärt. Wahrscheinlich hat es mit dieser Verquickung zu tun, dass sich die Koalitionspartner beim Thema Rente inzwischen in einer Art babylonischer Gefangenschaft befinden. Allzu gerne würde die SPD die beitragsfinanzierte Mütterrente kippen. Umgekehrt ist der Union nicht wohl dabei, dass eine Debatte über die Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit entstanden ist. Doch SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte einen Großteil seines innerparteilichen Wahlkampfs mit seinen Rentenversprechen bestritten. Über die potenziellen Nutznießer sagte er: „Menschen, die 45 Beitragsjahre haben, einschließlich Zeiten der Arbeitslosigkeit.“

Wer einmal auf Hartz IV angewiesen war, sieht alt aus

Offenbar war aber schon damals klar, dass in Wahrheit nur fünf Jahre Arbeitslosigkeit angerechnet werden sollen – und hierbei auch nur Zeiten von Arbeitslosengeld I. Wer einmal auf Hartz IV angewiesen war, sieht alt aus. Die Koalition schafft somit nicht nur eine Zweiklassengesellschaft bei der Rente. Sie unterscheidet auch zwischen Zeiten von guter und schlechter Arbeitslosigkeit.

Noch merkwürdiger allerdings ist es, dass der angeblich so gründlich verhandelte Koalitionsvertrag nicht frühzeitig auf seine Praxistauglichkeit hin untersucht wurde. Die Rentenversicherer jedenfalls sagen, sie könnten nicht nachvollziehen, welche Art von Arbeitslosengeld während eines Berufslebens gezahlt worden ist – zumindest nicht in einer „vollmaschinellen Prüfung“ für „die Zeit zwischen 1978 und 2001“. Und erst vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass die Bundesagentur für Arbeit alle Angaben zur Arbeitslosigkeit nach fünf Jahren aus ihren Akten löscht – „weil diese für uns nicht mehr erforderlich sind“.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, noch einmal von vorne anzufangen

Für das neueste Problem – die Frage nämlich, ob die abschlagsfreie Rente zu massenhafter Frühverrentung führen kann – hat sich auch noch keine Lösung gefunden. Dabei hätte sich jedes Kind ausrechnen können, dass die neuen Rentenregeln zusammen mit der Bevorzugung von Älteren beim Arbeitslosengeld eine goldene Brücke in den Ruhestand eröffnen. Und nicht immer sind es nur Unternehmen, die auf eine vorzeitige Verrentung scharf sind.

All das könnte man als bürokratische Petitessen abtun, wenn die Koalition ihre größte Legitimierung nicht daraus ziehen würde, dass solide regiert werden soll. Sollte es der Regierung darauf ankommen, ein vernünftiges Gesetz durch den Bundestag zu bringen und nicht nur Klientelinteressen zu bedienen, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um noch einmal ganz von vorne anzufangen.

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