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Der WDR-Intendant und ARD-Vorsitzende Tom Buhrow.

© Foto: dpa/Oliver Berg

Fusion von ARD und ZDF?: Die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat längst begonnen

Tom Buhrow hat die öffentlich-rechtliche Revolution ausgerufen. Dabei gibt eine Novelle den Sendern schon jetzt viel Spielraum für weitreichende Veränderungen. Die sollten sie nutzen.

Ein Kommentar von Kurt Sagatz

Tom Buhrow hat die öffentlich-rechtliche Revolution ausgerufen: An einem gesamtgesellschaftlichen Runden Tisch will er die Debatte über die Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandradio ohne Tabus und Denkverbote führen. Ja, sogar eine Fusion von ARD und ZDF schließt der ARD-Chef nicht mehr aus.

Was kommt als nächstes? Der freiwillige Verzicht auf Top-Gehälter und üppige Ruhestandsbezüge, gar die Abschaffung des Zwangsbeitrags? Nicht nur in der Politik, sondern auch beim Beitragszahler hört man die neuen Töne sicherlich gerne. Schade nur, dass diese Ideen vom falschen Mann zur falschen Zeit kommen.

Eine Ruckrede wie diese hätte Buhrow in den beiden Vorjahren halten sollen. Da war er der reguläre ARD-Vorsitzende und verhandelte mit der Politik über die zukünftige Ausrichtung des öffentlich-rechtlichen Systems.

Nur zur Erinnerung: Er hat nur deshalb noch einmal den Spitzenjob in der ARD inne, weil die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger unter Nepotismusverdacht geriet und den ARD-Vorsitz abgeben musste.

Wenn einer die Weichen der ARD in Richtung Zukunft stellen muss, dann ist das SWR-Intendant Kai Gniffke, der von Januar 2023 an die Geschicke der ARD leitet. Der sagt zwar auch, dass es richtig sei, Dinge zu überdenken, „die wir lange für unantastbar gehalten haben“. Doch das ist eher ein Akt der Höflichkeit. Ganz davon abgesehen, dass man bei Buhrow als bestverdienendem Intendanten aller öffentlich-rechtlicher Sender in Sachen Sparen immer an den Spruch „Wasser predigen, Wein trinken“ denken muss.

Nach dem Prinzip „Wasser predigen, Wein trinken“

Doch es ist ja nicht nur der falsche Mann, der nun den Stein ins Rollen bringt. Auch der Zeitpunkt ist, gelinde gesagt, merkwürdig. Nach jahrelangem Verhandeln haben Politik und Sender gerade erst ein großes Reformpaket für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf den Weg gebracht.

Die Ministerpräsidenten haben den neuen Medienstaatsvertrag zwar schon unterschrieben, die Parlamente müssen noch zustimmen. Man darf auf die Diskussionen in Landtagen wie dem in Magdeburg gespannt sein. Das Veto aus Sachsen-Anhalt hatte 2021 die Erhöhung des Rundfunkbeitrages um 86 Cent ein halbes Jahr verzögert.

Nach langen Diskussionen endlich Taten folgen lassen

Dabei gibt die Novelle den Sendern viel Spielraum für weitreichende Veränderungen, die nicht zuletzt weitere Beitragserhöhungen verhindern können. Bevor die nächste Revolution ausgerufen wird, sollte zunächst einmal dieser Spielraum mit Leben gefüllt werden.

Denn – und das ist nicht unterschätzen – künftig gibt es eine Bestandsgarantie nur noch für Das Erste, ZDF, die Kulturkanäle 3Sat, Arte sowie die dritten Programme der ARD. Alles andere steht zur Disposition. Es kann eingestellt werden oder ins Internet wandern. Das betrifft beispielsweise den Kika, tagesschau24, Phoenix oder ZDFneo.

Doch warum nicht weitergehen und nach der jahrelangen Diskussion über die Verschlankung der über 60 Radiowellen Taten folgen lassen? Bislang ist man dabei über ein gemeinsames Nachtprogramm der Kulturradios nicht hinausgekommen. Auch im Fernsehen bietet sich eine stärkere Zusammenarbeit der ARD-Dritten an. Ob Verbraucher-Magazine oder Gesundheitssendungen, das Rad muss nicht ständig neu erfunden werden.

Mehr gemeinschaftliche Anstrengungen würden Kapazitäten und Mittel für eine stärkere Verankerung in der Region schaffen. Und es mag kein revolutionärer Gedanke sein, man sollte aber dennoch daran erinnern, dass der Informations- und Bildungsauftrag über allem stehen muss. Auch mit Hilfe der Mediatheken. Talkshows könnten dort schon um 20 Uhr 15 laufen.

Apropos Mediatheken: Im Ringen mit Netflix, Amazon und Disney entscheiden sie über die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen. Um in dem Wettbewerb zu bestehen, muss groß gedacht werden. Das Public-Private-Partnership von Sky und ARD bei „Babylon Berlin“ weist den Weg. Warum kein ganz großes deutschsprachiges Streamingangebot, das neben ARD und ZDF auch noch die öffentlichen Sender Österreichs und der Schweiz umfasst?

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