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Dieter Bohlen, Schlagerpate und Kläger

© dpa

Prominente und Menschenrechte: Bei Bohlen hört der Spaß nicht auf

Ein Tabakkonzern darf bekannte Persönlichkeiten für seine Werbung verzwecken - wenn er über sie Witze macht und sie nicht seine Produkte preisen lässt, hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof entschieden. Wer darf Satire? Alle! Ein Kommentar

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Dieter Bohlen lacht viel, vor allem auf Fotos und in Fernsehkameras. Ein Musterprominenter, ausgestattet mit einer norddeutschen Direktheit, die ihm als Juror der TV-Serie „Deutschland sucht den Superstar“ den Vorwurf einbrachte, er verletze anderer Leute Menschenwürde. Auch darüber lacht er vermutlich.

Spaß bedeutet Bohlen was. Nur einmal war die Grenze erreicht, als die Tabakindustrie ihn vereinnahmte. Ihn, den Nichtraucher. Dagegen klagte er, bezeichnenderweise bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wo er am Donnerstag mit dem adligen Prominentenkollegen Ernst August von Hannover unterlag.

Was Satire darf, darüber wurde nach den Pariser Terrortaten diskutiert. Bohlens Rechtsstreit wirft einen anderen Aspekt auf: Wer darf Satire? Der Hitproduzent wurde zum Sujet der Zigarettenwerbung von „Lucky Strike“, nachdem er in einem Buch viele Stellen auf Klagen anderer Prominenter hin schwärzen musste. Plakate und Anzeigen enthielten nun ebenfalls geschwärzte Stellen, darunter einen schwarzen Filzstift, der an einer „Lucky“-Schachtel lehnte, und den Satz: „Schau mal, Dieter, so schreibt man Bücher“. Der für Handgreiflichkeiten bekannte Welfenprinz wurde mit dem Bild einer zerknautschten Schachtel hochgenommen, über der es hieß: „War das Ernst? Oder August?“

Als Prinz und Schlagerpate schäumten, entfernte der Hersteller British American Tobacco die Plakate. Dennoch wurde Satisfaktion gefordert, der Kippengigant sollte den Musiktitan entschädigen. Daraufhin musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit den Empfindlichkeiten der Kläger befassen, die einen Angriff auf ihre Persönlichkeitsrechte reklamierten. Feinsinnig erkannte man in Karlsruhe, dass Bohlen so wenig wie Ernst August für Zigaretten warb, sondern vielmehr eine Tabakmarke Witzchen auf deren Kosten riss. Auch Konzerne dürfen Satire machen. Meinungsfreiheit.

Der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof, bei dem sich Deutschlands Prominente seit Urteilen zu Caroline von Monaco ihr Persönlichkeitsheil erhoffen, zieht diesmal mit dem BGH an einem Strang. Zwar könne die Zwangsvereinnahmung bei umstrittenen Produkten wie Zigaretten heikel sein, doch sei das Für und Wider gut abgewogen worden, insbesondere mit Blick auf den humoristischen Kern der Plakate. Wo Spaß aufhört und Menschenrecht beginnt, bestimmen weder die Bohlens noch der Adel.

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