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Christian Lindner auf dem FDP-Parteitag.

© Imago/Achille Abboud

Lindner auf dem FDP-Parteitag: Staatstragend, aber ohne Vision für seine Partei

Der Finanzminister und FDP-Chef wirkte in den vergangenen Monaten ratlos, nun will er seine Partei wieder einen. Wie er die Liberalen künftig prägen will, wird dabei nicht klar.

Ein Kommentar von Valerie Höhne

Christian Lindner ist kein Mann, der zur Spontaneität neigt. Wenn er, FDP-Chef und Bundesfinanzminister, entscheidet, auf dem Bundesparteitag knappe neunzig Minuten zu reden, liegt es nicht daran, dass er sich verzettelt. Sondern daran, dass er glaubt, es sei notwendig. Lindner muss die Partei beruhigen – es gelingt ihm.

Die Liberalen mussten in den vergangenen Monaten Niederlage um Niederlage hinnehmen. Im Saarland schafften sie die Fünf-Prozent-Hürde wieder einmal nicht, in Niedersachsen und Berlin flogen sie aus dem Parlament. Es ist eine Herausforderung in einer solchen Stimmungslage einen Wahlparteitag abzuhalten, der einem nicht um die Ohren fliegt.

Lindner begegnet der Herausforderung mit einem einfachen Rezept: Kein Kommentar. In den anderthalb Stunden erwähnt er die Wahlniederlagen einfach nicht. Stattdessen erzählt er vom Regierungshandeln, von schwierigen Abwägungen, davon, wo er die FDP im Parteiengefüge sieht.

„Wir grenzen uns ab von jenen von links, die gewissermaßen Verhaltensanweisungen geben wollen, aber auch gegenüber jenen von rechts wie Markus Söder, der giftet gegen einen ,Woke-Wahnsinn“, sagt Lindner. Oder: „Das Leben mit Verbrennungsmotor im Thüringer Wald ist nicht besser oder schlechter als das Leben mit Lastenrad im Prenzlauer Berg.“

Lindner geht gestärkt aus dem Parteitag hervor

Das ist riskant: Es könnte wirken, als entziehe er sich der Verantwortung. Doch es funktioniert. 88 Prozent der Delegierten wählen Lindner erneut zum Chef. Lindner, der vor dem Parteitag Sorge davor haben musste, dass seine FDP ihm die Landtagswahlergebnisse oder das Ampel-Bündnis als solches anlasten würde, ist gestärkt aus dieser Probe hervorgegangen.

Die Ruhe der Rede, der konziliante Ton gegenüber insbesondere den Grünen, in der Koalition zur Lieblingsfeindin der FDP avanciert, ist ein Gegensatz zu den ruppigen Äußerungen der vergangenen Tage, die geprägt waren vom Streit mit ebenjenen Grünen über das Verbot des Einbaus neuer Gas- und Ölheizungen ab 2024, Teil der Wende hin zu klimaneutralen Heizungen für das Land.

Was war da zu lesen, von „Verschrottungsorgien“, die die FDP dem Wirtschaftsminister Habeck vorwarf, bis hin zu einer „Atombombe“, die das Gebäudeenergiegesetz für das Land sei.

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Lindner ist ein Mann, der die Grundsätze der Rhetorik beherrscht. Wenn er sich entscheidet, eine Rede zu halten, die stellenweise fast langweilig staatstragend wirkt, dann ist auch das eine bewusste Entscheidung. Einerseits signalisiert er damit den Ampel-Partnern, dass er die Koalition in ihren Beschlüssen durchaus ernst nimmt.

Lindner hält sich raus aus dem Richtungsstreit in der FDP

Andererseits aber stellt er sich auch über einen parteiinternen Streit über die Ausrichtung der FDP. Die einen wollen, dass die FDP ihren Blick weitet, dass sie neue Milieus erschließt. Die anderen beharren in Zeiten der Krise darauf, vor allem ihr Kernklientel bedienen zu wollen. Lindner selbst will sich damit nicht weiter behelligen. „Wir sollten uns nicht darüber definieren lassen, ob wir für oder gegen die Ideen von anderen sind. Wir haben nämlich eigene gute Ideen“, sagt er.

Mit dieser Taktik erhält er das beste Ergebnis der Bundesvorsitzenden. Die FDP hat aus der Vergangenheit gelernt. Als sie während der schwarz-gelben Regierungskoalition von 2009 bis 2013 unter Druck standen, zerstritten sie sich öffentlich. Bei der nächsten Bundestagswahl flogen sie aus dem Bundestag.

Zuletzt gab es immer mal wieder Spekulationen darüber, wer Lindner in Zukunft einmal nachfolgen könnte. Wie wenig Raum dafür derzeit ist, zeigt nicht nur sein Wahlergebnis. Sondern auch seine klare Haltung zum Posten des Vorsitzenden, den er seit fast zehn Jahren inne hat: „Jetzt könnte man sagen: Nach zehn Jahren steht die FDP gut da. Jetzt könnte man ja eigentlich auch gehen.“

Er aber sage, „mit aller Überzeugung“, der Auftrag ein „modernes, nicht linkes Deutschland“ zu schaffen, sei noch nicht erfüllt. „Wir stehen gemeinsam erst am Anfang“, sagt er.

Wie aber er diesen Anfang definiert, ob er eine Vision für die FDP der nächsten zehn Jahre hat, diese Frage bleibt unbeantwortet. Es würde sich doch lohnen, er dächte darüber nach.

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