zum Hauptinhalt
Klarmachen? Im Moment ist nichts klar bei den Piraten.

© dapd

Piraten: Jetzt geht es um die Wurst: Bundestag oder Untergang

Elf Monate vor der Bundestagswahl und nach gleich zwei Rücktritten im Bundesvorstand stehen die Piraten am Scheideweg. Unsere Autorin entwirft zwei Szenarien für das Piratenjahr 2013.

Von Anna Sauerbrey

Gerade noch innerhalb der Frist für den Bundesparteitag der Piraten in Bochum Ende November haben zwei Mitglieder am Freitag einen Antrag mit dem Titel „Zeitreisen“ hochgeladen. Sie fordern, dass folgender Passus in das Wahlprogramm aufgenommen wird: „Die Piratenpartei spricht sich für eine intensive Erforschung von Zeitreisen aus, mit dem Ziel, diese noch in diesem Jahrzehnt Realität werden zu lassen.“

Am selben Tag haben mit Julia Schramm und Matthias Schrade gleich zwei Mitglieder des Vorstands ihren Rücktritt angekündigt, während der Rest sich munter öffentlich beschimpfte. Im Fokus der Kritik steht Geschäftsführer Johannes Ponader, der einen Rücktritt aber verweigert. Ein Antrag wie jener würde da auch nicht mehr überraschen. Er bedient alle Piraten-Klischees: spleenig, unkonstruktiv, nerdig. Musste sich nicht der niedersächsische Piratenparteitag an diesem Wochenende mit einem Antrag befassen, der sich für Hitlers „Mein Kampf“ als Schullektüre einsetzt?

Bei genauem Lesen entpuppt sich das Zeitreisenpapier als Polemik. Die Autoren wünschen sich, in die Vergangenheit reisen zu können, um Missgeschicke ihrer Führungsspitze zu verhindern – vom NSDAP-Vergleich des Berliner Abgeordneten Delius bis zu Julia Schramms Entscheidung, ihr Buch bei einem Verlag zu veröffentlichen. Interessanter allerdings als eine Reise in die Vergangenheit aber ist derzeit eine Reise in die Zukunft der Piraten.

Hier zwei denkbare Szenarien. Das erste: Ponader, mit dem offenbar keiner mehr zusammenarbeiten will, tritt ab. Marina Weisband kehrt zurück und organisiert einen rauschhaften Wahlkampf. Die Piraten jagen den nach der Stuttgart-Wahl als „bürgerlich“ abgestempelten Grünen junge Wähler ab. Für Niedersachsen ist es zu spät. Doch kurz vor der parlamentarischen Sommerpause 2013 stellt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der sich mit Blick auf die Bayernwahl als Law-and-Order-Politiker profilieren will, einen Gesetzentwurf vor, der die Befugnisse der Polizei beim Einsatz von Aufklärungsdrohnen erweitert. Getragen von einer Protestwelle, die die Acta-Demos noch übertrifft, segeln die Piraten mit fünf Prozent in den Bundestag.

Das zweite Szenario: Niemand will Schramm und Schrade folgen, im Gegenteil. Im Krach mit Ponader treten weitere Vorstandsmitglieder zurück. Im Versuch, den Geschäftsführer loszuwerden, veröffentlichen Basis-Piraten Details aus dessen polyamourösem Privatleben. Deutschland diskutiert über den „Internetpranger“. Den Bochumer Parteitag im November versemmelt die Personendebatte, inhaltlich wird nichts beschlossen. In Niedersachsen landet die Partei bei 2,2 Prozent, Parteichef Bernd Schlömer tritt zurück. Kopflos stolpern die Piraten in die Bundestagswahl, wo sie nur 1,7 Prozent erreichen. Die meisten Mitglieder der vier Landtagsfraktionen treten zu den Grünen über. Splittergruppen wie die „Stop-Copyright-Piraten“ gründen sich, landen aber schon bei den Landtagswahlen in Sachsen 2014 hinter der Tierschutzpartei.

Elf Monate vor der Bundestagswahl läuft den Piraten die Zeit davon. Sie müssen sich zusammenreißen – oder sie werden untergehen. Im Moment sieht es nicht so aus, als seien sie zu Ersterem in der Lage.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false