zum Hauptinhalt
In Serbien lieben sie ihn - Wladimir Putin.

© AFP

Wladimir Putin in Serbien: Großer Bruder aus Moskau

Hoher Besuch in Belgrad. Wladimir Putin kommt, um an den Sieg über den Faschismus zu erinnern. Dabei instrumentalisiert er die Historie für seine geopolitische Agenda. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Auf den Mauern der Synagogen Serbiens finden sich Tafeln, die an die Deportation der serbischen Juden unter deutscher Besatzung erinnern. Das Wüten der Wehrmacht in Belgrad endete vor siebzig Jahren – in drei Tagen. Es gibt jeden Grund, daran zu erinnern. Dazu fand sich jetzt hoher Besuch in der serbischen Hauptstadt Belgrad ein. Wladimir Putin war gekommen, um an den Sieg über den Faschismus zu erinnern, eine Parade mit Panzern abzunehmen und mit den Nachkommen der Partisanen zu feiern.
Weil er am Jahrestag selbst andere Termine hat, wurde der Termin für die Zeremonie kurzerhand vorverlegt. Für Putin ignoriert man in dem verarmten Nachkriegsland schon mal den Kalender.
All das wäre so schön und gut, wie der Anlass des Gedenkens ernst und wichtig ist. Aber die Geschichte ist längst weitergewandert, die Kriege um Serbiens Suprematieanspruch in den 1990er Jahren haben das Jugoslawien der Partisanen zerfallen lassen. Und Putin wäre nicht Putin, hätte er nicht eine geopolitische Agenda im Sinn, für die er den historischen Anlass instrumentalisiert.
So beschwor Russlands Präsident vor seinen slawischen Brüdern und Schwestern die aktuelle Bedrohung durch „Neonazis“, „Rassisten“ und „Nationalisten“, denen Einhalt geboten werden müsse. Damit zielt er weder auf Russlands wachsenden Antisemitismus noch auf die Nostalgiker der Idee eines Groß-Serbiens, sondern auf seine momentanen Gegner, die EU-freundlichen Ukrainer, die er gern als „Nazis“ brandmarkt. Ihnen hat er vor kurzem die Krim gestohlen – unter zynischem Verweis auf die Causa Kosovo. Sein Tenor lautete: „Der Westen hat Vergleichbares anderswo zugelassen!“

Putin nutzt die beiden Seiten der Münze Kosovo, je nachdem, wo er einkaufen will

In Serbien kam die Parallele nicht gut an. Schließlich hatte derselbe Putin Serbiens Pochen auf den Besitz am Kosovo legitimiert, ihn seinerseits mit der Causa Tschetschenien verglichen. Putin nutzt die beiden Seiten der Münze Kosovo, je nachdem, wo er einkaufen will. Derweil fließen russische Millionen munter weiter in serbisch-nationalistische Projekte im Nordkosovo, in Kredite für das von der EU ungern gesehene Projekt South-Stream-Pipeline der russischen Gazprom und in Militärimporte aus Moskau. Serbiens politische Klasse beteuert, sie wolle kein Gezerre um Ostbindung versus Westbindung anzetteln, keinen Konflikt, wie ihn die Ukraine derzeit durchmacht. Man wolle in die EU, dabei bleibe es.
Belgrad versucht jedoch mehr als eine symbolische Doppelhochzeit mit Brüssel und Moskau. Auf dem Weg nach Westen will die Führung des Landes Slawophile nicht vernachlässigen, 70 Prozent der Bevölkerung zeigen sich in Umfragen erfreut bis begeistert von der Aufwartung des mächtigen, christlich-orthodoxen Bruders aus Moskau. Für die Parade im Stil des Kalten Krieges gab man Unsummen aus, wie um dem Westen zu signalisieren: Aufgepasst, wir haben einen großen Bruder im Osten!
Wenn Serbien 2015 den Vorsitz der OSZE übernimmt, hat das Land die Chance, politische Reife zu demonstrieren. Dann müssen seine Vertreter die Farbe bekennen, auf die das Land verbal bereits setzt: die blaue Farbe Europas, die Farbe der Demokratie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false