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Kolumnist Matthias Kalle denkt nicht in Schubladen – oder doch?

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Kolumne "Ich habe verstanden": Generalisierte Schubladen

Vorurteile sind mit Vorsicht zu genießen – das weiß auch unser Kolumnist Matthias Kalle. Er wagt es deshalb, sich den Genres Krimi und Fantasy zuzuwenden. Ergebnis: Gar nicht so übel wie befürchtet!

Auch ganz schlecht für einen Kolumnisten: Schubladendenken. Macht einen engstirnig und berechenbar. Engstirnig und berechenbar will ja eigentlich niemand sein – ich auch nicht. Deshalb bin ich auch immer ein Gegner der Genres gewesen – und zwar im jedem Bereich. Als Jugendlicher verstand ich die Frage „Welche Musik hörst du so?“ nicht, weil ich immer davon ausging, dass jeder Mensch mit Verstand doch am liebsten schöne Musik hören müsste.

Wenn ich heute mit einem Fremden ins Gespräch komme und der mich fragt, was ich beruflich mache, dann sage ich die Wahrheit: Journalist. Und jedes Mal kommt dann die Frage, über was ich denn so schreiben würde als Journalist – Sport? Wirtschaft? Politik? Ich sage dann meistens, ich sei Generalist. Das klingt dann immer gleich so angeberisch, aber ich meine damit eigentlich nur, dass ich weder von Sport, noch von Wirtschaft und auch nicht von Politik so viel Ahnung habe. Ein guter Freund sagte vor ein paar Monaten zu mir, er habe sich jetzt mal die ersten Folgen dieser neuen, tollen HBO-Fernsehserie angeschaut. „Game of Thrones“, die sei ja wirklich spektakulär.

Als ich ihn fragte, worum es denn da ginge, sagte er, das sei so eine Fantasy- Serie. Da war der Fall für mich erledigt, mit dem Genre „Fantasy“ kann ich nichts anfangen. Ich finde beizeiten die Wirklichkeit schon gruselig genug, da muss ich es nicht auch noch mit Zauberern, Drachen und anderen Hokuspokus zu tun bekommen. Der Freund gab mir trotzdem die DVD, und als ich dann vor kurzem einen Tag krank im Bett lag, schaute ich mir das mal an. Das Ergebnis war dann, dass ich mir alle zehn Folgen der ersten Staffel angeschaut und mir alle Bücher der Saga „Das Lied von Eis und Feuer“ gekauft habe. Denn tatsächlich war von der Geschichte begeistert, gefesselt, überwältigt.

Ähnlich erging es mir vor zwei Jahren mit dem literarischen Genre „Krimi“. Damit wollte ich auch nie was zu tun haben. Krimis lasen immer die, die keine Ahnung von Literatur haben, keinen Sinn für Sprache – Voyeure, Hobbydetektive, solche Leute. Dann fing ich aus Langeweile an, in einem Krimi des deutschen Autors Jan Costin Wagner zu lesen. Und dann hörte ich nicht mehr auf – allerdings nicht aus Langeweile, sondern aus Lust. Ich habe seitdem auch alle Kriminalromane von Jo Nesbo gelesen, muss aber jetzt zwangsbedingt eine Krimipause einlegen, weil „Das Lied von Eis und Feuer“ ja zehn Bände umfasst.

Dass ich das hier einem Millionenpublikum so locker offenbare – daran musste ich lange arbeiten. Von Typen wie mir wird ja verlangt, dass sie den neuen Rainald Goetz lese. Oder Schriftstellerinnen mit einem osteuropäischen Namen. Weltliteratur halt. Keine Genreliteratur! Aber vielleicht ist das ja das wahre Schubladendenken: Dass man manche Sachen auf gar keinen Fall lesen darf, weil es nicht gut ist (für wen eigentlich?). Ich glaube, man kann beides machen. Vielleicht ist das ja eher launenabhängig.

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