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Nato-Gipfel: Es geht um Sicherheit, nicht allein um Menschenrechte

Die Staats- und Regierungschefs sollten den Nato-Gipfel in Bukarest dazu nutzen, den Auftrag der Isaf in Afghanistan wieder am UN-Mandat auszurichten. Das sollten sie auch ihren Wählern deutlich erklären, meint Markus Kaim.

Wer sich über die Aufgabe der von der Nato geführten Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (Isaf) in Afghanistan informiert, erfährt auf der Internetseite der Bundeswehr, dass die Isaf die afghanische Regierung unter anderem dabei unterstütze, die Menschenrechte zu wahren. Ein lobenswertes Anliegen. Es hat nur mit dem Auftrag, den der UN-Sicherheitsrat der Isaf gegeben hat, nichts zu tun.

Dieses Beispiel steht stellvertretend für die Unklarheit, welches Ziel die Bundeswehr in Afghanistan verfolgt. Der Einsatz ist in der innenpolitischen Debatte zu einer Projektionsfläche höchst unterschiedlicher politischer Prioritäten, Hoffnungen und Befürchtungen geworden ist. Der eigentliche Auftrag dieser Mission ist dabei in den Hintergrund getreten.

Aufgabe der Isaf und damit der Bundeswehr in Afghanistan ist es, Sicherheit auf dem Territorium Afghanistans aufrechtzuerhalten. Es geht im UN-Mandat nicht darum, politische Institutionen zu schaffen, Terroristen zu bekämpfen, die Lage von Frauen zu verbessern oder den Drogenhandel zu bekämpfen. All dies mögen wichtige Elemente einer dauerhaften Entwicklung des Landes sein; sie sind nicht Teil des Isaf-Auftrags. Da dieser implizit beinhaltet, Sicherheit auch gegen den Widerstand derjenigen durchzusetzen, die die afghanische Regierung bekämpfen, ist in diesem Sinne Isaf von Beginn an ein Kampfeinsatz gewesen.

Die Isaf soll die afghanischen Behörden lediglich dabei unterstützen, Sicherheit zu gewährleisten. Nur solange diese dazu noch nicht oder nicht ausreichend in der Lage sind, übernimmt die Nato diese Aufgabe. Ziel der Isaf muss es deshalb sein, die afghanische Armee und die Polizei möglichst schnell dazu zu befähigen, selbstständig das afghanische Staatsgebiet zu sichern. Ausbildung und Training müssen daher höchste Priorität haben. Der Zeitpunkt eines Abzugs der Nato-Truppen kann alleine durch Fortschritte in diesem Bereich bestimmt werden. Willkürliche Festlegungen, dass die Bundeswehr zu einem bestimmten Zeitpunkt abgezogen würde, widersprechen dieser Logik und leiten sich auch nicht aus dem Mandat der UN ab.

Das Mandat erlaubt der Isaf alle zur Erfüllung ihres Mandats notwendigen Maßnahmen, die ein breites Spektrum von Instrumenten umfassen können, etwa die Anwendung militärischer Gewalt, den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen oder Bemühungen um den Wiederaufbau des Landes. Das darf aber nicht zu einem strategischen Missverständnis führen: Afghanistan wieder aufzubauen ist nicht das Ziel von Isaf, sondern lediglich ein denkbares Mittel, um langfristig Sicherheit im Land zu gewährleisten. Tatsächlich legt das Mandat des Sicherheitsrates fest, dass es Aufgabe des UN-Personals und internationaler Hilfsorganisationen ist, den Wiederaufbau sowie humanitäre Maßnahmen zu organisieren. Die Bundeswehr und die anderen Allianzpartner sollen lediglich sicherstellen, dass diese ihre Tätigkeit in einem sicheren Umfeld ausüben können.

Die eigentliche Aufgabe der Bundeswehr in Afghanistan ist in der innenpolitischen Debatte von anderen mandatsfremden Anliegen überlagert worden. Dies hat zu der geringen Zustimmung zu dieser Mission in der deutschen Öffentlichkeit geführt, die zunehmend keine klare Antwort auf die Frage mehr anzugeben weiß, warum die Bundeswehr in Afghanistan stationiert ist. Angesichts der begrenzten militärischen Ressourcen der Nato am Hindukusch und einer schwindenden politischen Unterstützung in ihren Mitgliedstaaten sollten die Staats- und Regierungschefs den Nato-Gipfel in Bukarest dazu nutzen, den Auftrag der Isaf in Afghanistan wieder am UN-Mandat, also am Primat der Sicherheit, auszurichten und dies auch ihren Wählern deutlich zu erklären. Kaum etwas schadet der Isaf-Mission mehr als falsche und überhöhte Erwartungen, die den Erfolg des Einsatzes langfristig gefährden.

Der Autor ist Mitglied der Forschungsgruppe „Sicherheitspolitik“ der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

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