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Kardinal Rainer Maria Woelki im Oktober bei der Generalaudienz mit dem Papst im Vatikan.

© dpa / dpa/Alessandra Tarantino

Erste Schmerzensgeldklage nach Missbrauch: Das wird die Mauern des Schweigens in der Kirche erschüttern

Die Schmerzensgeldforderungen eines Missbrauchsbetroffenen werden erstmals vor Gericht verhandelt. Und die Kirche hat nicht versucht, das zu verhindern.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das ist weiß Gott etwas Neues. Und eine Art froher Botschaft. Zum ersten Mal kommt die Schmerzensgeldforderung eines Missbrauchsbetroffenen gegen die katholische Kirche als Institution vor Gericht – und Erzbistum Köln hat nicht versucht, das Verfahren aufzuhalten.

Im Gegenteil, es hat trotz der lange zurückliegenden Taten keine Verjährung beansprucht. Mehr noch: Das geschah auf besonderen Wunsch von Kardinal Rainer Maria Woelki. Als wäre er zu höherer Einsicht gelangt. Endlich.

Jedenfalls wird diese Premiere die katholischen Mauern des Schweigens und des Verdeckens erschüttern. Ausgerechnet durch Woelki, dem man immer vorwarf, nur an sich selbst zu denken. An Selbstschutz anstelle von Opferschutz. Damit ist es vorbei. Sein Erzbistum – das zweitwichtigste nach Rom – erfährt stellvertretend für die Welt, was es heißt, wenn die Entschädigungen gering ausfallen. 25.000 Euro wurden dem 62-jährigen Opfer gezahlt, es fordert 725.000 Euro.

Nicht (allein) die Summe ist das Bedeutende, sondern die Tatsache, dass kein katholischer Bischof in Deutschland mehr hinter Woelkis Haltung zurückfallen kann. Was das für sie alle bedeutet! Auch wenn die Taten Jahrzehnte zurückliegen, auf eine Verjährung wird sich keiner der Oberhirten mehr herausreden können. Ja, das alles kann die Kirche sehr viel Geld kosten – und trotzdem wird es das Leid der geschändeten Seelen nicht ungeschehen machen.

Bundesweit könnten weitere Schmerzensgeldklagen folgen

Vielleicht ist das die letzte große Tat von Woelki als Erzbischof von Köln – eine gute. Gegen den Kardinal laufen strafrechtliche Ermittlungen. Untersucht wird der Vorwurf der falschen Versicherung an Eides statt. Darauf stehen bei einer Verurteilung bis zu drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

Woelki weist die Vorwürfe zurück – aber der Ruf der Kirche steht trotzdem auf dem Spiel. So könnte er jetzt vom Papst abberufen werden. Franziskus hat immer noch sein Rücktrittsgesuch auf dem Tisch. Viele Gläubige empfänden den Rücktritt als gute Gabe. Auch nach der Weihnachtszeit.

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