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Unter den Irakern gab es ein unglaubliche Brutalität, der die USA lange hilflos gegenüberstanden.

© dpa

Was Wikileaks enthüllt: Ein Krieg der Iraker

Die neuen Irak-Papiere bieten die Chance, das Tun und Lassen der Politiker, Milizen und Religionsführer in der Region in den Vordergrund zu stellen.

Die Irak-Papiere sind schon von der Zahl her erdrückend: 391.832 Dokumente. Wenn jedes im Schnitt zwei Seiten umfasste, bräuchte ein Mensch, der sich 16 Stunden am Tag nur mit ihnen beschäftigt und weder freie Wochenenden noch Urlaub nimmt, viereinhalb Jahre, um sie zu lesen.

Wikileaks-Gründer Julian Assange tat gut daran, das Konvolut vier renommiertem Zeitungen zu übergeben. Sie haben im Gegensatz zu seiner kleinen Organisation das Personal und die Erfahrung im Umgang mit so sensiblem Material. Er stände noch besser da, wenn er bei seinem Urteil über die Brisanz vorsichtiger wäre. Ist dieses „Leaken“ von US-Feldberichten wirklich ein Jahrhundertereignis der Militärgeschichte, muss nun der Verlauf des Irakkriegs neu geschrieben werden und liefern sie die Unterlagen für viele Strafprozesse gegen US-Offiziere?

Die „New York Times“, der „Spiegel“ und ihre Partner hatten drei Monate Zeit, sich einen Überblick zu verschaffen, und kommen zu einem anderen Ergebnis. Die Irak-Papiere ergänzen das Wissen über den Krieg, enthalten aber keine weltbewegenden Neuigkeiten. Ihr größter Wert ist, dass sie Aspekte ausleuchten, die bisher zu kurz kamen: die unglaubliche Brutalität der Iraker untereinander, der die USA lange hilflos gegenüberstanden; die Rolle der Nachbarn, voran des Iran, der den Schiiten mehr Waffen lieferte als bekannt; die Chance, Zahl und Identität der Opfer zu verifizieren.

Der Westen hat einen Hang zum Imperialismus, nicht nur beim Einsatz des Militärs, sondern ebenso haben ihn westliche Medien in ihrer Berichterstattung. Für sie zählt vor allem, was der Westen getan oder unterlassen hat, voran die USA. Damit aber degradieren sie die Iraker zu Objekten ihrer Geschichte. Die Irak-Papiere bieten die Chance, das Tun und Lassen der Politiker, Milizen und Religionsführer in der Region in den Vordergrund zu stellen – nicht um die USA aus ihrer Verantwortung zu entlassen; deren Fehler und Vergehen sind hinreichend bekannt. Sondern um die Iraker zu Subjekten im Bild von diesem Krieg zu machen, im Guten wie im Bösen. Sie hatten spätestens seit 2005 mehr Einfluss auf das Geschehen als die US-Armee.

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