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Joachim Gauck wird an diesem Sonntag höchstwahrscheinlich zum neuen Bundespräsidenten gewählt.

© dpa

Bundesversammlung wählt neuen Präsidenten: Ein Kandidat mit Würde

Wenn Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt wird, ist dies Gewähr dafür, dass die Bundesbürger künftig wieder mit Stolz auf ihr Staatsoberhaupt schauen können. Denn das Amt braucht einen Inhaber mit Würde.

In den vergangenen 30 Jahren wurde Deutschland von drei Bundeskanzlern regiert. Aber es waren sechs Bundespräsidenten, die im gleichen Zeitraum das Land nach innen und außen repräsentierten. Grund genug, einen Moment innezuhalten, wenn heute zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren eine Bundesversammlung zusammentritt, um das Staatsoberhaupt zu wählen. Gemeinhin denkt man doch, die Präsidenten verkörperten das Element der Kontinuität im hektischen Alltag der Politik, formal die Nation in Würde stabilisierend wie die Nationalhymne und die schwarz- rot-goldene Fahne.

Dass es tatsächlich die Kanzler sind, die das Gesicht des Landes über lange Zeiträume prägten, hängt nicht nur damit zusammen, dass den Regierungschefs durch die Verfassung die Ausformung der Richtlinien der Politik übertragen wurde, während der Hausherr im Schloss Bellevue allenfalls in der Rolle des Staatsnotars darüber wacht, dass alles seine Ordnung hat.

Sehen Sie in den Bildern die Umbauarbeiten für die Bundesversammlung:

Entscheidend ist wohl auch nicht, dass Frau oder Mann ja in deutlich jüngeren Jahren Kanzler wird als Präsident, dass mithin einfach mehr Zeit zum Gestalten bleibt. Und dann ist da ja auch noch das Gebot, die Nummer eins im Staate nur einmal wiederwählen zu dürfen, während wir seit Adenauer und Kohl wissen, dass es je nach parteipolitischem Machtgefüge und festem oder schwankendem Wählerwillen durchaus Langzeitkanzler geben kann – derer man dann eben irgendwann auch einfach überdrüssig wird.

Diese Berliner wählen den Bundespräsidenten mit:

Nein, da ist noch etwas anderes, und das sollte uns schon besorgt machen. Zumindest zwei Mal hatten wir nun Bundespräsidenten, die aus sehr unterschiedlichen Gründen den Belastungen des Amtes nicht gewachsen waren. Der eine konnte mit Kritik nicht umgehen, beim anderen gab es Zweifel an der Integrität. In beiden Fällen kürten die Spitzen der CDU/CSU/FDP-Koalition den Kandidaten, und in beiden ist der Name der Bundeskanzlerin mit den wenig glücklichen Personalentscheidungen eng verbunden.

Nur Träumer mögen glauben, die Auswahl des Kandidaten für dieses Amt erfolge nur nach Kriterien der Tüchtigkeit. Aber gereifte Charaktere, erfahren in öffentlichen Ämtern und von untadeligem Ruf sollten es doch sein, und keine Hoppla- und Hauruck-Festlegungen, um Entschlussfreudigkeit zu demonstrieren, wo Augenmaß angemessen wäre.

Wenn heute Joachim Gauck gewählt wird, den Angela Merkel ja eigentlich nicht haben wollte, ist nicht nur dies, sondern auch der bisherige Lebensweg des mecklenburgischen Pfarrers eher Gewähr dafür, dass die Bundesbürger künftig wieder mit Stolz auf ihr Staatsoberhaupt schauen und eine Einladung ins Schloss Bellevue wieder als Auszeichnung und nicht mehr als Last empfunden wird, vor der man sich am liebsten drücken möchte.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Artikel eins des Grundgesetzes. In den letzten Wochen ist viel geschrieben und gesagt worden, wie es um die Würde des Bundespräsidenten und seines Amtes bestellt sei. Die Antwort auf die Frage, ob das höchste Staatsamt gelitten habe, ist ein klares Nein. Die Institution ist nicht beschädigt worden.

Aber die Würde des Präsidenten, das haben wir gelernt, ist antastbar – durch ihn selbst, wenn er nicht die Größe hat, ohne die man sich dieser, der wohl empfindlichsten Aufgabe, die das Land zu vergeben hat, nicht stellen sollte.

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