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Nicht alle Stimmen zählen.

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Die Sperrklausel ist zu hoch: Warum die Fünfprozenthürde fallen muss

Mit einer Verfassungsbeschwerde ficht der Verein „Mehr Demokratie“ die Zugangsbeschränkung zum Bundestag an. Damit legt er ein Problem des Ampel-Wahlgesetzes offen.

Ein Kommentar von Albert Funk

Sollte die Fünfprozenthürde im Wahlrecht fallen? Ja. Muss sie ersatzlos gestrichen werden? Nein. Eine Sperrklausel in einem Wahlsystem, das die Verhältniswahl anwendet, ist grundsätzlich kein Fehler. Insofern geht es nicht darum, die Fünfprozenthürde völlig abzuschaffen.

Aber die Verfassungsbeschwerde, welche der Verein „Mehr Demokratie“ am Freitag gestartet hat, ist als ein weiterer Anstoß zu begrüßen, über eine abgesenkte Zugangsbeschränkung nachzudenken.

Denn es bleiben viele Stimmen außen vor bei Wahlen in Deutschland: In Bayern waren es zuletzt fast zehn Prozent, in Hessen fast zwölf Prozent. Bei der Bundestagswahl 2021 blieben mehr als acht Prozent der Zweitstimmen wirkungslos.

Bis zu 20 Prozent draußen

Hätte die Klausel nicht gegolten, dass drei Direktmandate den Einzug in das Parlament ermöglichen, wären es wegen des Scheiterns der Linken mehr als 13 Prozent gewesen. Also immerhin das Votum von sechs Millionen Wählern. Im Saarland blieben 2022 wegen der Sperrklausel mehr als 20 Prozent der Stimmen unberücksichtigt.

Im insgesamt etwas unglücklichen neuen Wahlgesetz der Ampel-Koalition ist die Dreimandatsklausel gestrichen – was für die CSU einer Nahtoderfahrung gleichkommt, denn sie lag 2021 mit 5,2 Prozent nur knapp über der Hürde. Zudem gäbe es nach dem neuen Wahlrecht auch keine direkt gewählten CSU-Abgeordneten, bliebe die Partei unter den fünf Prozent. Zur Lebenserfahrung der FDP wiederum gehört die Dauerangst, unter der Fünfprozenthürde zu bleiben.

Das von der Union und der Linken in Karlsruhe ohnehin schon beklagte Ampel-Gesetz ist nun auch Anlass für die Verfassungsbeschwerde gegen die Sperrklausel. Aber die Berechtigung der Klage ist davon unabhängig. Denn wenn eine Zugangsbegrenzung zu viele Stimmen wertlos macht, dann hat man ein Demokratieproblem.

Es kommt auf Kompromissfähigkeit an

Um die Stabilität des parlamentarischen Systems, um die Regierungsfähigkeit muss man sich nicht sorgen. Die Koalitionsbildung ist zweifellos mit zwei Parteien einfacher als mit fünf. Aber sie ist nicht unmöglich. Es kommt auf die Kompromissfähigkeit der beteiligten Parteien an, nicht auf deren Zahl.

Das Argument, dass Verhältniswahl systematisch zur Zersplitterung des Parteiensystems führt und damit zwangsläufig zu Instabilität, überzeugt nicht. Auch die Weimarer Republik, das Paradebeispiel für diese Argumentation, ist nicht daran gescheitert, dass es zu viele Parteien gab.

Kurzum: Eine Absenkung auf vier oder drei Prozent würde das mit dem Ampel-Wahlgesetz geschaffene Zugangsproblem beseitigen, ohne größere Folgeprobleme zu schaffen.

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