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Die re:publica.

© dpa

Re:publica: Die Messe ist noch nicht gelesen

Die Re:publica zeigt: Die Internetgemeinde wehrt sich gegen die Überwachung – doch das allein reicht nicht. Aus dem Protest muss eine konstruktive Haltung erwachsen. Denn das Thema Freiheit hat auch mit Sicherheit zu tun.

Unbenommen: Sie ist groß, sie ist vielfältig und sie ist vielleicht das wichtigste Treffen der Branche in Europa: die Re:publica. Nur nutzt sie ihren Einfluss wirklich?

Die aktuelle Konferenz der Netzgemeinde ist vielleicht die politischste Re:publica der vergangenen Jahre. Denn die Enthüllungen von Edward Snowden haben die Internetszene herausgefordert. Und in einen kleinen Schockzustand versetzt. Jedem dort ist plötzlich bewusst geworden, dass der Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung vielleicht erfolgreich war, im Hintergrund aber längst ganz andere, viel gewaltigere Prozesse ablaufen. Nur: Außerhalb der Gemeinschaft nimmt daran kaum jemand Anstoß. Radikalisierung lautet jetzt das Motto.

Vehement rief der heimliche Bundespräsident der Szene, Blogger Sascha Lobo, seine Gemeinde auf, das Netz für sich zurückzuerobern. Sie solle endlich aufbegehren und sich gegen Kontrolle und Spähangriffe wehren – und zwar radikaler als bisher. Die Geheimdienste hätten den Menschen das Netz entrissen. Es ist eine Kampfansage, die gut ankommt – aber das falsche Signal ist. Denn im Moment bewegen sich zwei Welten, Staat und Netz, auseinander, die einander brauchen, um die großen Fragen der Zukunft zu klären.

Das Know-how, die Expertise und das Verständnis für das Netz, seine Herkunft, Eigenart und eigene Kultur ist elementar wichtig, um zu klären, wie mit den Daten, die nun mal vorhanden sind und in noch stärkerem Maße künftig vorhanden sein werden, umzugehen ist. Deshalb ist es nicht hilfreich, wenn sich die eine Seite, die die sich als Netzgemeinde begreifen, bereitmacht, in einen radikalen Kampf einzutreten, und die andere Seite, der Staat allen voran die Bundesregierung, versucht, die Grenzen der Aufklärung der NSA-Affäre zu betonen statt die Chancen. Wer bessere Regeln, Gesetze und Rahmenbedingungen für das Netz beansprucht, braucht Dialog, das sollte gerade für die, die das Netz als eigenen Lebensraum definieren, selbstverständlich sein. Kampf und Kampfeswillen führen nur in die Isolation – und das wäre wirklich gefährlich.

Auf der Re:publica ging es oft nur um Selbstbestätigung

Wichtiger ist ein offener auch kontroverser Dialog. Es ist nicht so, dass auf der Re:publica keine kontroversen Debatten geführt werden – es gibt durchaus Selbstkritik. Die bezieht sich aber auf das eigene Agieren, auf die eigene Wahrnehmung. Oft dienen die Veranstaltungen dann auch der Selbstbestätigung. Denn auf einen Grundsatz hat man sich geeinigt: Überwachung ist schlecht und die Freiheit im Netz steht über allem. Am Ende heißt es, wer nicht für uns ist, ist gegen uns.

Der Re:publica und ihrem Diskurs um die Fragen des neodigitalen Zeitalters würde es gut zu Gesicht stehen, wenn sie nicht zur Messe verkommt – für neue technische Produkte und für das Beschwören der eigenen Gemeinschaft. Das Thema Freiheit beinhaltet auch das Thema Sicherheit – im Netz, durch das Netz und auch mit dem Netz. Die Arbeit der Geheimdienste pauschal zu verteufeln kommt da gut an, hilft aber nicht weiter. Entscheidender ist, welche Möglichkeiten räumt man ihnen aber auch dem Staat oder Unternehmen ein in einer digitalen Welt. Wo beginnt Sicherheit, wo endet die persönliche Freiheit? Keine leichter Diskurs, aber man muss ihn führen – und sollte sich nicht verkämpfen.

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